Und die Hölle folgte ihm nach
lagen weiße Leinentücher zum Abtrocknen.
»Ich lasse sogleich dein Gepäck herschaffen und auch heißes Wasser zum Waschen«, verkündete Bruder Wulfila. Für eine Antwort blieb ihr keine Zeit, denn er hatte bereits die Tür hinter sich zugezogen. Sie schaute sich einen Augenblick in ihrer neuen Bleibe um und setzte sich dann auf die Bettkante. Böses ginge in der Abtei um, hatte Bruder Ruadán verstört gerufen. Sie gestand sich ein, dass sie seit dem Moment, da sie Zeugin des feigen Überfalls auf Magister Ado geworden war und das Trebbia-Tal betreten hatte, ein ungutes Gefühl nicht mehr loswurde. Religiöse Spannungen waren ihr nicht fremd. Schließlich war sie schon bei dem großen Konzil von Streonshalh in der Abtei Hilda dabei gewesen, als die Angeln beschlossen hatten, sich von den kirchlichen Auffassungen ihres eigenen Landes loszusagen, umfortan den neuen Regeln aus Rom zu folgen. Aber der Konflikt hier zwischen der Auffassung des Arius und den Festlegungen auf dem Ersten Konzil von Nicäa war mehr als ein Streit und drohte in Blutvergießen zu enden. Über dem Tal lag eine dunkle Wolke. Aber war es das, was Bruder Ruadán mit dem Bösen gemeint hatte und wovor er sie warnen wollte – oder steckte noch etwas anderes dahinter?
Es blieb ihr nicht viel Zeit. Fidelma hatte sich gerade frisch gemacht und war in saubere Kleidung geschlüpft, da läutete auch schon die Glocke, was sie als Aufforderung zum Abendessen deutete. Sie wartete nur kurz und entschied, sich einigen Mönchen anzuschließen, die an ihrer Kammer vorbeigingen. Aus den wenigen wurden viele, alle hasteten schweigend die Treppe hinunter auf den Haupthof. Dort erblickte Fidelma etwa ein Dutzend Nonnen, die dem Hauptgebäude zustrebten. Sie erkannte Schwester Gisa unter ihnen und ging auf sie zu.
»Hast du Bruder Faro gesehen?«, war deren erste Frage. »Ich hoffe, er ist vorsichtig und pflegt seine Wunde.«
Das Mädchen tat Fidelma leid, denn ihre Gefühle für den jungen Mann waren offenkundig. Sie wusste sehr wohl, dass die Gruppe von Asketen, die Rom bedrängte, ein Edikt zugunsten des Zölibats zu erlassen, sich zunehmend Gehör verschaffte, auch wenn das noch nicht allzu lautstark geschah. Selbst Abt Servillius schien ihren Argumenten erlegen. Noch hatte der Heilige Vater nichts Verbindliches verfügt, noch blieb es offensichtlich den einzelnen Äbten überlassen, wie sie die Sache handhabten.
Wiederum hatte Papst Siricius, nachdem er in Rom auf den Heiligen Stuhl berufen worden war, seine Frau und seine Kinder verstoßen. Er schien durchsetzen zu wollen, dass Priester und andere Geistliche nicht länger mit ihren Ehefrauen dasBett teilten. Schon ein Jahrhundert zuvor hatte auf dem Konzil zu Tours der gleiche Gedanke zur Debatte gestanden, auch da hatte man sich für eine Regelung ausgesprochen, dass Priestern, die zusammen mit ihren Frauen schliefen, nicht erlaubt sein sollte, Gottesdienste abzuhalten. Der Vorschlag hatte sich damals nicht durchsetzen können.
»Du und Bruder Faro, seid ihr …?« Fidelma hielt mitten im Satz inne, denn das Mädchen war hochrot geworden.
»Wir sind Freunde«, sagte sie bestimmt, doch die Errötung strafte sie Lügen. »Das hier ist kein gemischtes Haus, wie es offensichtlich anderswo der Fall ist. Abt Servillius hält es mit denen, die unter den frommen Brüdern und Schwestern das Zölibat predigen. Aber Mönche und Nonnen nehmen bei uns gemeinsam die Speisen ein, und auch die Andachten in der Kapelle finden für alle gemeinsam statt.«
Sie gelangten an eine große Flügeltür aus glänzendem Kastanienholz, in der die Mönche verschwanden. Neben ihr stand Bruder Wulfila, der Fidelma verärgert erwartete.
»Ich habe jemand zu deiner Kammer geschickt, er sollte dich abholen und herbringen«, empfing er sie in vorwurfsvollem Ton. »Du wurdest ausdrücklich gebeten, nicht ohne Begleitung in der Abtei umherzuwandern.« Ohne eine Antwort abzuwarten, forderte er sie auf, ihr zu folgen. Schwester Gisa schwenkte mit den anderen Nonnen zur einen Seite der Halle, wo ihnen in einer Ecke ein gesonderter Tisch abseits von den Mönchen zugedacht war. Bei ihrem Gang durch den Saal kam Fidelma an einem Tisch vorbei, an dem Bruder Faro saß, und an einem anderen erkannte sie Bruder Hnikar. Etliche Mönche starrten sie teils überrascht, teils neugierig an. Am Ende der Halle, den Tischreihen zugewandt, stand ein auffallend langer Tisch, an dem Abt Servillius Platz genommen hatte, links und rechts von ihm Magister
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