Und die Hölle folgte ihm nach
Ado undder Ehrwürdige Ionas. Links neben Magister Ado saß ein Junge, vielleicht zehn oder elf Jahre alt, und neben ihm eine etwas matronenhaft wirkende Frau.
Der Abt erhob sich, als er Bruder Wulfila erblickte, und winkte Fidelma mit einer kleinen Handbewegung zu sich heran.
»Ich darf dich einem besonderen Gast vorstellen – Prinz Romuald der Langobarden.« Dann wandte er sich an den Jungen. »Eure Hoheit, das ist Fidelma von Hibernia, die Tochter eines Königs ihres Landes.«
Der Knabe stand auf und machte eine tiefe Verbeugung. Fidelma musste sich eines Lächelns erwehren, weil sein Verhalten so wenig kindgemäß war.
»Ich heiße dich in unserem Land willkommen, edle Dame. Mein Volk und meine Familie schätzen von jeher deine Landsleute wegen ihres Wissens und ihrer Lehren. Gedenkst du in dieser Abtei zu bleiben?«
»Ich weile hier, um meinen alten Mentor zu besuchen, der die Abtei zu seiner Heimstatt gemacht hat. Sobald wie möglich begebe ich mich auf die Rückreise in mein Land«, erwiderte sie höflich.
Der Abt stellte ihr die neben dem Jungen sitzende Frau als Freifrau Gunora vor, die Begleiterin des Prinzen. Die Frau lächelte zurückhaltend und neigte leicht den Kopf.
Nach den Begrüßungsformalitäten setzte man sich. Fidelma wurde ein Platz neben dem Ehrwürdigen Ionas zugewiesen, während Bruder Wulfila sich auf der anderen Seite von ihr niederließ. Eine Glocke läutete, woraufhin der Abt aufstand und ein Dankgebet anstimmte. Kaum hatte er wieder seinen Platz eingenommen, erklang abermals eine Glocke, und die im
refectorium
Versammelten durften mit dem Essen beginnen. Fidelma war nicht wenig erstaunt ob desmunteren Stimmengewirrs im Saal. In den vorangegangenen Wochen in Rom, wo sie auch gemeinsam mit Mitgliedern der Bruderschaft die Mahlzeiten eingenommen hatte, war es während des Essens meist schweigsam zugegangen. In manchen Abteien las ein Mönch, ein
recitator,
laut aus dem Neuen Testament oder den Psalmen vor, während die anderen aßen.
Der Ehrwürdige Ionas riss sie aus ihren Betrachtungen; er hatte sie angesprochen.
»Verzeihung, was hast du gesagt?«, fragte sie.
»Ich hatte eine Frage zu Columbanus gestellt«, wiederholte er verlegen. »Sowie jemand aus Hibernia kommt, frage ich nach ihm, könnte ja sein, ich erfahre Neues und könnte es ergänzend in mein Werk über unseren Begründer einfügen.«
»Ich fürchte, ich kann nur wenig dazu beitragen. Er stammte aus dem Königreich Laighin und ging zur Ausbildung in den Norden«, erwiderte Fidelma. »Das Königreich, aus dem ich komme, ist Muman, und das liegt im Südwesten von Hibernia.«
»Hibernia besteht demnach nicht aus nur einem Königreich?«
»Wir haben fünf Königreiche, das fünfte heißt Midhe, was soviel wie das mittlere Königreich heißt, und dort lebt der Hochkönig. Er gebietet über alle Königreiche. Er wird aus einer der führenden Sippen gewählt. Derzeit sind es die Ui Néill aus dem Norden, die die Thronfolge entscheiden.«
»So etwas Ähnliches habe ich schon von anderen deiner Landsleute erfahren, aber so recht verstehe ich das nicht«, meinte der Ehrwürdige Ionas ungläubig. »Wie auch immer, was kannst du mir über Columbanus erzählen?«
»In unserer Sprache lautet sein Name Colm Bán, und das bedeutet ›weiße Taube‹. Ich weiß nur, dass er Abt von Beannchar wurde, einer berühmten Abtei im Norden vonHibernia. Dann soll er die Abtei verlassen haben, um jenseits der Meere unter den Franken und Burgunden Glaubenszentren zu begründen. Das ist alles. Von der Abtei hier wusste ich nichts.«
Der Ehrwürdige Ionas nickte bedächtig, ein zaghaftes Lächeln umspielte die Lippen.
»Es war so, wie du sagst, meine Tochter. Er machte sich viele Feinde unter den fränkischen Adligen, und es kam der Tag, da sie anordneten, Columbanus mitsamt seinen Mönchen aus Hibernia in ihr Heimatland zurückzuschaffen. Doch statt nach Hibernia zurückzukehren, kam Columbanus hierher in den Süden, überwand die Bergpässe und brachte seine Getreuen ins Land der Langobarden. Agilulf, der damalige König, gab ihm das Stück Land hier. So begründete er Bobium und unsere Bruderschaft. Bald konnte er die Mönche aus vielen Ländern für sich gewinnen. Er blieb seinen alten Grundsätzen aus Hibernia treu und legte sich sogar mit dem Heiligen Vater, Gregor dem Großen, an, denn er beharrte darauf, dass es die Hibernianer waren, die sich an das wahre Datum des Osterfestes hielten. Er war ein wahrhaft großer Mann, ein
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