Und die Ratte lacht - Roman

überhaupt eines mit einem Mädchen und einem Tier.
    Am Anfang meiner Suche war ich überzeugt, dass ich in Jud-Idea etwas über jenes kleine jüdische Mädchen aus der Vergangenheit finden würde, aber es stellte sich bald heraus, dass alle mythischen Helden männliche geistige Hirten waren, bekannt als »Rabbiner« oder »Gerechte«, und das meiste mythologische Material, das ich fand, bezieht sich auf ihre Gräber. Diese gewähren angeblich sofortige Rettung aus jeder schlimmen Lage. Einer der Gemeindeältesten war überzeugt, dass der eigentliche Grund meiner Bitte der Wunsch war, mit Hilfe eines der Gräber einen Mann zu finden und Kinder zu bekommen. Er wollte mich unbedingt zum Grab eines berühmten Gerechten führen, in ein Gebiet, das früher Ukraine genannt wurde. Als ihm klar wurde, dass ich mich überhaupt nicht nach einem familiären Rahmen sehne, empfahl er mir das Grab eines berühmten Rabbis in Nordafrika und versprach, wenn ich es besuchte, würde ich mit einem langen Leben gesegnet.
    Nur um dir ein Beispiel vom Charakter des Kults von Jud-Idea zu zeigen, schicke ich dir ein magisches Objekt in deinen Imaginationsspeicher. Es ist ein Glücksbringer, den sie seit Jahrtausenden an die Türpfosten ihrer Häuser hängen. Der Gegenstand enthält eine kleine Pergamentrolle, auf der etwas aus der Vorzeit aufgeschrieben steht, was sie sich aber weigerten, mir zu sagen, denn ich hatte ihnen erklärt, dass ich keiner Glaubensrichtung angehöre. Manche sagen, die Technik, die angewendet wird, das Pergament zu beschriften, sei eine alte Handwerkskunst, die man Handschrift nennt, eine geheimnisvolle Bezeichnung.
    Einen Moment lang dachte ich …
    Das Mädchen …
    Schließlich trägt sie in keiner einzigen Version einen Namen.
    Als ich die Geschichte von dem Mädchen und der Ratte erzählte, soweit ich sie kenne, wurde die Vorstellung einer Beziehung zwischen einem in Polen geborenen jüdischen Mädchen und dem christlichen Glauben empört zurückgewiesen, und die Freundlichkeit, mit der sie mich empfangen hatten, verschwand. Das Beamen war unterbrochen und mein Zugriff auf die öffentlichen Informationsquellen blockiert. Meine Entschuldigungen wurden nicht akzeptiert. Als ich versuchte, in die geschützten Dateien einzudringen, entdeckte ich, dass in Jud-Idea trotz seiner langjährigen Isolation – oder vielleicht gerade deshalb – die Technologie der Datensicherung außerordentlich weit entwickelt ist, vielleicht sogar weiter als unsere. In ihre Traumchips hätte ich nicht eindringen können, falls sie dort überhaupt Traumchips verwenden …
    Das Exil der Erinnerung …
    In welchen Erinnerungsspeicher wurde das Mädchen verbannt?
    Hält man sie irgendwo gefangen?
    Mein Implant-Chip arbeitet jetzt auf Hochtouren.
    Kaum auszuhalten …
    Man muss sie dort herausholen …
    Nein, das muss man nicht.
    Hör auf, Y-Mee. Ich spüre, wie dieser Gedanke, den du schickst, gegen meinen Implant-Chip knallt.
    Akzeptiere es endlich, K-0005275-149: Die menschliche Erinnerung ist zu schwach, um alles zu erfassen.
    Und dennoch …
    Wie der Schwanzknochen …
    Wer hat einen Schwanz …
    Als du dich der genetischen Korrektur unterzogen hast, warst du ziemlich enttäuscht von dem Schwanzknochen – dem Steißbein – der noch am unteren Ende der Wirbelsäule geblieben war. Nach deinen Plänen wird sich der Mensch gleich nach der Jahrhundertwende von dieser Reminiszenz befreien.
    Früher waren wir einmal …
    Dieser Stefan.
    Als letzte Möglichkeit beamte ich eine »Wer erinnert sich?«-Botschaft durch das gesamte Brainnetz. Die eingehenden Antworten wiesen auf Kinder hin, die in geschlossenen Räumen weggesperrt wurden, und sie wurden von so vielen beim Namen genannt, dass ich das Gefühl hatte, ein Ende des roten Fadens erwischt zu haben. Aber die fehlenden Hinweise auf eine Ratte zeugten davon, dass es keinen Zusammenhang mit der Legende gab.
    Meine Brainbox hat eine Nachricht von jemandem gespeichert, der sich als Stasch meldete.
    Einen Moment lang dachte ich …
    Dann hörte ich eine donnernde Stimme …
    Ein kleines Bekenntnis, Stasch. Gestern beschloss ich, zum ersten Mal in meinem Leben, mich von meinem Traumchip abzuschalten. Ich weiß, das ist ein kindischer Widerstand, der nur zu Heranwachsenden passt, und nur wenige, die es einmal getan haben, wiederholen diese Aktion. Statt mir etwas Angenehmes aus meinem reichen Speicher auszuwählen, schaltete ich meinen Implant-Chip aus und überließ es meinem