Und die Ratte lacht - Roman

worden, in denen einige Opfer auf Rückgabe ihrer verlorenen Erinnerungsteile klagten. Die Kläger behaupteten, die Exzision habe ihr Recht auf Selbstbestimmung verletzt, und ohne dieses Erlebnis – egal, wie schlimm es auch gewesen sei – seien sie nicht mehr diejenigen, die sie eigentlich sein sollten. Inzwischen ist es zu einem Vergleich gekommen. Die Vertreter der Operierten haben ihre Anklage zurückgezogen, und die Verwaltungen verpflichteten sich, eine Methode des Einsetzens von kontrollierten Erinnerungen zu entwickeln und zu erproben, die es ermöglichen würde, eine Erinnerungszusammenfügung vorzunehmen, ohne »nicht relevante« Anteile zu entfernen.
    Hast du von jenem Mann gehört, Stasch, der ein fremdes Erlebnis in sein Gedächtnis eingesetzt haben wollte? Er sagte, man könne ihn nicht zwingen, etwas Schlimmes höchstpersönlich durchmachen zu müssen, nur um sich daran erinnern zu können. Er stellte eine Ankündigung ins Netz, dass er nach schlimmen Erlebnissen suche. Sein Implant-Chip lief über vor Angeboten.
    Such ihn, Stasch. Er ist ein ideales Objekt für dein Projekt Anthropologie der Zukunft .
    Wer bin ich?
    Y-mee Energelly
    K-0005275-149
    Warum ausgerechnet ich?
    Ich erlebe die Grausamkeit von vor hundertfünfundfünfzig Jahren. Im östlichen Teil Pan-Europas. Ein flackernder Davidsstern.
    Stasch, wir sind eingehüllt in Informationswolken, die sich zu einem dichten Nebel zusammenballen, so formlos und ohne Grenzen, dass das menschliche Gehirn sie nicht fassen kann. Das einzige Mittel, uns vor dem Überfluss an Informationen zu schützen, ist, sie zu minimalisieren und in Portionen abzupacken, die nur im Bedarfsfall zugeteilt werden. Deshalb hat man getrennte, zielgerechte Speicher entwickelt. Bei der Wissenschaftskonferenz wurde festgelegt, dass unsere persönlichen Implant-Chips ausschließlich mit ganz bestimmten Speichern vernetzt werden können, die von Anfang an für uns bestimmt waren. Und es gibt es keine Chance, dass wir in den hundertdreißig Jahren unseres Lebens alle Informationen aufrufen können, die für uns programmiert sind.
    Ein Bündel Schwänze …
    Wenn ich nach rechts springe, springst du nach links.
    Du nach vorn und ich zurück.
    Die Schwänze winden sich zwischen meinen Beinen.
    Von wem?
    Ich falle.
    Du streckst mir …
    Ich kann sie nicht ergreifen.
    Ich weiß, dass ich gegen die Anweisungen gehandelt habe, aber ich konnte nicht anders, ich musste die Erkenntnisse einsetzen, die ich gewonnen hatte, als ich die Firewall von Jud-Idea zu überwinden versuchte. Natürlich liegt die legale Möglichkeit, sich in zusätzliche zielgerichtete Speicher zu beamen, außerhalb meines Verstandes oder Leistungsvermögens. Nur diejenigen, deren Gehirne im Voraus geortet wurden, oder diejenigen, die dazu programmiert sind, den Bedingungen einer Datenüberschwemmung standzuhalten, erhalten diese Genehmigung. Deren Hirne arbeiten unter ständiger Kontrolle, damit sie nicht abstürzen. Ich gehöre nicht zu diesen vorher Auserwählten. Mein Gehirn wurde als normal definiert.
    Etwas, das kein chemischer oder elektrischer Leiter ist, auch kein elektro-biologischer …
    überbringt geheimes Wissen, das weder Gestalt noch Form besitzt …
    Es tut mir leid, Stasch. Ein Defekt im Kontrollmechanismus. Mein Gehirn erbricht sich …
    Y-mee Energelly. Ist das wirklich mein Name?
    Was passiert …
    Chaos …
    Und am tiefsten
    die Kinder
    von Juden …
    Ich beame dich in die Schoah, in einen Informationsspeicher, der nur wenigen Beamern offen steht und für den sich noch weniger interessieren.
    Dieser Stefan …
    Wer ist dieser Stefan …
    Ein großer Teil des Speichers ist Fragezeichen vorbehalten, die Zweifel an den vielen Zeugenaussagen markieren. Die meisten Filme werden als Rekonstruktionen gezeigt, und viele der Beweise sind Fälschungen oder Lügen. Mit dem allmählichen Verschwinden der Überlebenden und der kleiner werdenden Zahl von Erinnerungsträgern ist der Streit um die Echtheit dieser Zeugenaussagen abgeebbt.
    Stasch, das letzte dokumentierte Interview mit einem Überlebenden wurde 2039 in Jenem-Israel geführt. Der Mann war über hundert Jahre alt und wird als »der letzte Zeuge« bezeichnet.
    Es ist eine einzigartige Aufnahme. Niemand hat sich die Mühe gemacht, sie in eine beambare Datei umzwandeln, deshalb war ich gezwungen, ein externes Gerät zu benutzen, um die Bilder und Geräusche ganz langsam zu entziffern. Die Gerüche waren nicht zu rekonstruieren.
    Ich sende