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Und die Ratte lacht - Roman

Und die Ratte lacht - Roman

Titel: Und die Ratte lacht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Persona Verlag
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oben oder unten?
    Ich weiß es nicht.
    Wann vollbringt er das Wunder?
    Wenn er beschließt, sich einzumischen.
    Und wenn wir selbst Vater oder Mutter sind, werden wir uns einmischen können?
    Ich schweige.
23. Februar 1944
    Und wo sind sein Vater und seine Mutter?
    Ich begrabe mich.
    Du weißt gar nichts, Stasch.
    Sie ist so enttäuscht, sie schiebt mich in die Nische. Dort krümme ich mich zusammen. Meine Ohren sind stets auf die Echos gerichtet, damit ich die Entfernung abschätzen kann.
29. Februar 1944
    Ich hüpfe. Ich schnüffle. Meine Schnurrhaare zittern. Meine Ohren sind aufgerichtet. Ich habe unsere Höhle mit Blättern ausgepolstert – eine warme Wiege für das Kleine. Meine Zähne wachsen ununterbrochen, deshalb muss ich weiternagen.
    Die ganze Zeit suche ich nach Fluchtwegen, denn davon hängt unser Leben ab.
7. März 1944
    Gedenktag des heiligen Thomas von Aquin
    Als er so alt war wie das Mädchen, fragte Thomas von Aquin seinen Lehrer, wer Gott sei. Er war ebenfalls gewaltsam von seiner Mutter getrennt worden und wurde gefangen gehalten.
    Na und? Soll mir das zeigen, dass es nichts Neues unter dem Himmel gibt?
19. März 1944
    Gedenktag des heiligen Josef
    Wenn das Fragen sind, die Kinder normalerweise stellen, was antworten ihre Eltern? Ich weiß nicht, was Josef, der Zimmermann, dem Knaben antwortete, den er in Nazareth auf den Schoß genommen hat, als dieser nach der Bedeutung des Schimpfworts fragte, das man ihm hinter seinem Rücken nachrief. Vielleicht hat er heimlich geweint. Die Evangelisten schreiben kein Wort über die Kränkung des Knaben.
    Den ganzen Winter hat sie gefragt. Direkt, sachlich. Woher wir gekommen sind. Was vor uns war. Was nach uns sein wird. Und ich wusste keine Antworten.
    Wir stiegen die Turmtreppe hinauf. Ich will ihr die Welt zeigen. Erst hatte sie sich verschanzt. Es gelang mir, sie aus der Nische zu locken. Während wir die Stufen hochstiegen, fing sie an zu zittern und wollte wieder hinunterlaufen. Ich erkannte sofort ihre Höhenangst. Ihr war schwindlig, ihr Körper suchte nach Halt. Als ich ihr beide Hände hinstreckte, drehte sie sich um. Ich schwor ihr, Stasch wird nicht zulassen, dass du fällst.
    Nebeneinander gehen wir hinauf. Sind wir da, fragt sie. Wann kommen wir an?
    Wir stehen hinter der Schutzmauer des Turms. Von hier aus betrachtet sie die Kinder, die auf dem zugefrorenen Fluss Schlittschuh laufen. Eine Gruppe von dunklen Flecken, die auf der glänzend weißen Fläche im Kreis laufen. Ihre Gesichter können wir nicht erkennen, aber ich weiß, wer sie sind. Das ist der Sohn des Schmieds, jene die Tochter der Wirtin. Ich habe sie alle getauft. Ein Kind braucht die Gesellschaft anderer Kinder. Deshalb bemühe ich mich, für sie ein Kind zu sein.
    In dem Dorf, in dem ich aufwuchs, befahlen die Eltern ihren Kindern, nicht mit mir zu spielen. Sie deuteten mit dem Finger auf mich und flüsterten miteinander. Viele Jahre lang wusste ich nicht, was sie sagten. Die Mutter Huhn hat Brei gekocht, sie gab dem und gab dem, nur dem Letzten, dem Letzten gab sie nichts … Wie kann ich mich an das erinnern, was mir nie jemand gesagt hat? Schließlich war ich der lebendige Beweis für die fleischliche Sünde meiner Mutter.
    Obwohl das Mädchen fasziniert ist vom Anblick der Schlittschuh laufenden Kinder, möchte sie wieder hinunter. Ich erzählte ihr nicht, dass es Stellen gibt, die man meiden muss, weil dort das Eis nicht dick genug ist.
22. März 1944
    Diesen Tag wird man »Tag unserer Herrin der Bäche« nennen, weil das Eis zu schmelzen beginnt. Die Heilige Mutter wird die Decke von der Erde nehmen und allem, was unter ihr schläft, wieder Leben einhauchen.
    Schläft jemand darunter?
    Jedesmal, wenn ich glaube, ich hätte sie auf den Weg der Heilung gebracht, bricht plötzlich eine schlimme Erinnerung auf und bringt sie zum Ausgangspunkt zurück.
    Ich habe keine Botschaft für dieses Kind.
25. März 1944
    Nichts wird sie dazu bringen, auf ihre Bräuche zu verzichten. Wie jedes Jahr gehen sie zum Karneval, tragen Abbilder von Pferden, Ziegen und Hühnern und das Symbol von Marzana, der Todesgöttin. Generationen christlichen Glaubens haben es nicht geschafft, diesen uralten Brauch auszulöschen. Nicht zum ersten Mal habe ich das Gefühl, dass meine Mission von Anfang an nutzlos war. Gegen Abend werden sich Männer und Frauen im Wirtshaus versammeln, zu einer öffentlichen Verkupplung. Vor vielen Jahren erwählte mein Vater eine unschuldige junge Frau, führte sie zum

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