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Und die Toten laesst man ruhen

Und die Toten laesst man ruhen

Titel: Und die Toten laesst man ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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meinem Rücken brannte ein unangenehmer Blick. Und zum ersten Mal überlegte ich, ob ich mir nicht wenigstens eine Gaspistole zulegen sollte.

X
     
     
    Am Sonntagnachmittag, als ich frühstückte, schwitzte Gabriela Sabatini auf dem Center Court. Sie verlor gegen eine – wie immer – griesgrämig aussehende Steffi Graf in knapp zwei Stunden. Genauso lange brauchte ich für das Frühstück und die anschließende Pfeife. Danach legte ich mich in die Badewanne und las einen Krimi von Loren D. Estleman. Bruce Springsteen schrie sich dazu die Seele aus dem Leib.
    Estleman und Springsteen reichten bis zur Dämmerung. Sobald die Sonntagsausflügler die Stadt geräumt hatten, wanderte ich ein bisschen durch die Innenstadt, ging am Bischofssitz und dem Landesmuseum vorbei, trank einen Cappuccino in einem Café mit politischen Zeitschriften in Wandfächern und dachte über das Leben nach. Natürlich wusste ich, dass dies genau das falsche Rezept gegen Depressionen ist. Aber nach politischen Zeitschriften stand mir nicht der Sinn. Also überlegte ich, was ich in den letzten Jahren alles falsch gemacht hatte. Es wurde eine lange Liste. Ich schrieb sie auf einen Zettel, der sich in der Innentasche meiner Jacke fand, und fackelte ihn anschließend im Aschenbecher ab. Danach fühlte ich mich besser. Die drei Mädchen am Nebentisch warfen verstohlene Blicke auf mich und den Aschenbecher. Ich setzte eine geheimnisvolle Miene auf und zerkrümelte die Papierreste mit den Fingern. Als ich bei der Kellnerin bezahlte, redeten sie schon wieder über die besonders schwere Klausur, die sie nächste Woche schreiben mussten.
    Der Tatort im Fernsehen war ein langweiliger Kurzfilm, den ein unbegabter Regisseur auf neunzig Minuten gedehnt hatte. Ich ging früh zu Bett und konnte lange Zeit nicht einschlafen. Es gibt Tage, die man am besten überschlägt. Vor allem Sonntage.
     
    Am nächsten Morgen lief ich im Postamt auf und guckte mir an, wie viele Meyers mit Vornamen Werner im Berliner Telefonbuch standen. Es waren vierunddreißig. Ich brauchte nur eine Viertelstunde, um mir die Adressen und Telefonnummern aufzuschreiben.
    Als Willi ins Büro gehumpelt kam, war ich schon bei Nummer zehn angelangt.
    »Schön, dass du wieder da bist«, begrüßte er mich, »dann kann ich ja zum KÜ fahren und meinen Bauch in die Sonne legen.«
    »Keine Chance«, erwiderte ich. »Ich muss den ganzen Vormittag telefonieren und vermutlich auch den Nachmittag.«
    Willi schnitt eine Grimasse: »Heißt das, dass der Fall noch nicht erledigt ist?«
    »Genau das heißt es. Du darfst noch ein paar Tage dranhängen.«
    »Du weißt, dass ich eigentlich …«
    »… studieren muss, jaja. Aber im Sommer gibt's auch noch schöne Tage. Und dann ist der KÜ auch nicht so überlaufen wie jetzt. In den ersten warmen Tagen ist nicht mal genug Platz, damit alle ihre Decken ausrollen können.«
    »Wenn ich neben einer schönen Frau liege, die sich ganzheitlich bräunt, macht mir das nichts aus«, widersprach Willi.
    »Pass auf«, sagte ich und streichelte ihm die Schulter, »wenn du bis zum Wochenende durchhältst, zahle ich dir 200 Mark Prämie. Länger dauert die Geschichte bestimmt nicht.«
    »Und nächste Woche regnet es«, maulte er, stiefelte aber brav in den Laden und sprach eine Weile halblaut mit den Münzen, die ihm geduldig zuhörten.
    Ich steckte einen Zigarillo an und wandte mich wieder der Telefonliste zu.
    Beim ersten Durchgang bekam ich neunzehn Mal jemanden an den Apparat, siebzehn Ehefrauen von Werner Meyer und zwei pensionierte Werner Meyers, die jedoch ausschlossen, jemals in Münster gewesen zu sein. Von den Frauen wussten fünfzehn mit Sicherheit, dass ihre Männer nicht in Münster gearbeitet hatten, zwei kannten den Lebenslauf ihres Gatten nicht so genau. Die restlichen fünfzehn Anschlüsse dezimierte ich im Laufe des Tages auf acht. Und beim Sechstletzten hatte ich um vier Uhr nachmittags Erfolg, vorausgesetzt, man sieht allein das Ergebnis und nicht die verschwendeten Telefonkosten.
    Ja, ihr Werner habe in Münster gearbeitet, sagte Frau Meyer. Bei einer Baufirma. Und 68, 69, das könnte wohl hinkommen. Das sei aber schön, dass ein alter Freund von damals ihn wiedersehen wolle. Auf der Arbeit sei er leider sehr schwer zu erreichen, aber wenn ich es so gegen sechs noch mal versuchen würde …
    Zur Feier des Tages holte ich für Willi und mich zwei Eisbecher von der besten Eisdiele am Platze, wo die Leute mit den Füßen raushängen, sobald sich die

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