...und Don Camillo mittendrin...
schon seit über drei Stunden Sonntag.
«Brüder», sagte Don Camillo am Sonntag in der Elfuhrmesse, «heute möchte ich euch von dem schwarzen Stein erzählen. Von jenem schwarzen Stein, den ihr alle schon gesehen habt und der in einer Ecke des Friedhofs in der Erde steckt und auf dem die Worte stehen: <8. November 1752 - Hier ruht ein Mann ohn ’ Name und ohn ’ Antlitz.> Wieviele Diskussionen, wieviele Nachforschungen hat es schon gegeben, um den Sinn dieser geheimnisvollen Inschrift zu entdecken. Aber nun ist endlich alles klar geworden.»
Ein erstauntes Gemurmel lief nach diesen Worten durch die Kirchenbänke. Don Camillo fuhr fort:
«Schon seit Monaten studiere ich eifrig, Abend für Abend, mit größter Sorgfalt die Aufzeichnungen in den alten Büchern der Pfarrei. Und wie ihr wißt, habe ich viel interessante Berichte gefunden. Ihr wißt aber noch nicht, daß ich heute nacht eine besonders außergewöhnliche Notiz entdeckt habe, und ich werde sie euch jetzt aus dem Original vorlesen.
Am 8. November 1752 passierte ein entsetzliches Ereignis. Seit über einem Jahr wurden unser Dorf und die umliegenden Orte von einer Bande von Bösewichten heimgesucht, die stets zu nächtlicher Stunde ihrem finsteren Handwerk oblag. Sie wurde die genannt, da sie sich immer auf die gleiche Weise Zugang zu den Häusern verschaffte, dergestalt nämlich, daß sie mit teuflischer Geschicklichkeit ein Loch in die Mauer schlug, das ihr dann als Durchschlupf diente. Nie hatte man Hand an einen der Räuber legen können, aber in der Nacht vom 8. November wurde der Händler Giuseppe Folini , der in einem Haus mit dem Namen « Crocilone » wohnte, durch ein verdächtiges Geräusch geweckt. Vorsichtig stieg er aus dem Bett und noch vorsichtiger schlich er in seinen Laden, wo all seine Waren aufgestapelt lagen. Er stellte fest, daß das Geräusch von der Mauer her kam, die den Feldern zugewandt war und an der es weder Tür noch Fenster gab. Offenbar versuchte jemand, um ins
Haus einzudringen, ein Loch in die Mauer zu brechen. Es konnte sich nur um eine neue Untat der handeln.
Wenige Augenblicke später, als Folini noch darauf sann, was zu tun sei, löste sich knapp ein Meter über dem Boden ein Kalkbrocken aus der Wand. Und da durch eines der Fensterchen ein Quentchen Mondlicht in den Raum fiel und sich Folinis Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte er sehen, daß sich ein Ziegelstein bewegte. Ja, wahrlich: er wurde ganz langsam entfernt, und eine weiße, geschmeidige Hand erschien in der Öffnung, griff nach einem anderen Backstein und brach ihn heraus. Nachdem die Öffnung so erweitert worden war, erschien die Hand von neuem und der ganze Vorderarm dazu. Vorsichtig tastete die Hand die Mauer um das Loch herum ab, um festzustellen, ob etwas an der Wand lehnte oder daran hing, das beim Herabfallen hätte Lärm verursachen können.
Folini , ein kräftiger Mann, packte das Handgelenk des Unbekannten und hielt es mit aller Macht fest, grimmig entschlossen, seine Beute auf keinen Fall wieder loszulassen. Gleichzeitig begann er ganz fürchterlich zu schreien.
Die Familienangehörigen des Folini eilten herbei, und einer seiner Söhne wand ein Seil mehrmals um den Arm des Missetäters, so daß dieser sich als hoffnungslos gefangen betrachten mußte.
Giuseppe Folinis Haus lag ziemlich abseits, und es war zwecklos, Alarm zu schlagen, denn die Leute im Dorf hätten es nicht gehört. Und so warteten die Folinis , da sie Angst hatten, in einen Hinterhalt zu geraten, den die Komplizen des Übeltäters hätten parat halten können, bis zum Tagesanbruch. Einer der Bande war jedenfalls ergriffen worden, und befände er sich erst einmal in den Händen der Justiz, würde er schon sagen, wer die anderen waren.
Im Morgengrauen trauten sich die Folinis endlich ins Freie und begaben sich vorsichtig hinter das Haus. Doch da fanden sie nur noch einen Leichnam ohne Kopf.
Die Räuber hatten, wohl fürchtend, ihr Kumpan würde unter der Folter ihre Namen verraten, und um zu verhindern, daß der Unglückselige, einmal erkannt, einen Hinweis auf die Bande geben könnte, dem Mann den Kopf abgeschlagen. Den Kopf hatten sie mitgenommen, um auch die letzte Möglichkeit, ihnen auf die Spur zu kommen, zu vereiteln.
Als man sah, daß der Unglückliche nichts bei sich trug, das zur Feststellung seiner Person hätte beitragen können, habe ich, der Pfarrer, den kopflosen Leichnam zu nächtlicher Stunde in einer Ecke des
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