Und eines Tages kommt das Glück
fragte Veronica.
»Nur dass du dich manchmal ein wenig … angemessener benehmen könntest.« Zu spät. Dermot wusste, dass er das Falsche gesagt hatte.
»Wie bitte?«
Dermots Situation war schon schlimm genug, aber er musste sie noch schlimmer machen. »Es ist ja nicht so, dass du nicht toll aussiehst, im Gegenteil, aber, na ja, so jung bist du auch nicht mehr, oder? Du hast schließlich drei Kinder, in Gottes Namen! Und dann diese engen T-Shirts und Miniröcke … So etwas sollten eher Romy oder Kathryn tragen, finde ich.«
»Also, ich darf mich nicht schick machen, wenn ich abends ausgehe, aber du siehst dich als eine Art Reserve-James-Bond«, hatte Veronica mit vor Wut heiserer Stimme geantwortet. »Der Held draußen in der Gefahrenzone, der die Welt mit Bildern rettet, eine Art heroisches Sexsymbol? Ja? Jetzt sei mal realistisch.«
Romy hatte nicht gewartet, bis der Streit völlig eskalierte, sondern war hinaufgerannt in ihr Zimmer und hatte sich in die Nische neben dem Kaminsims gekauert und beide Arme um sich geschlungen. Sie wusste, dass es von nun an nie mehr so sein würde wie früher.
Und sie hatte recht. Dermot war nach Kuwait aufgebrochen,
wo er von einem Bombensplitter getroffen, aber nicht schwer verwundet wurde, und ein Jahr später hatten er und Veronica sich getrennt. Das war für Romy der Beginn eines weiteren Traumas in ihrem Leben gewesen.
Ihre Eltern stritten sich nämlich erbittert um das Sorgerecht für sie.
Veronica hatte Dermot ausgelacht und gehöhnt, er sei ja noch naiver, als sie dachte, wenn er sich einbilde, auch nur den Hauch einer Chance zu haben, Romy zu bekommen. Das Gericht würde nicht im Traum daran denken, einem Mann mit seinem Beruf die Verantwortung für ein kleines Mädchen zu überlassen. Wie er es sich vorstelle, seine Tochter zu versorgen, wenn er die ganze Zeit durch die Welt reiste, wollte sie wissen.
»Der Golfkrieg ist vorbei«, erklärte Dermot. »Ich kann zu Hause bleiben.«
»Für sie würdest du das tut, aber nicht für mich?« Veronica schäumte vor Wut. »Du bist ein egoistischer Mistkerl, Dermot Kilkenny.«
Weil sie die entsprechenden Sendungen im Fernsehen gesehen und die Artikel im Sugar , einem Teenagermagazin, gelesen hatte, wusste Romy, dass ein Kind nie schuld daran war, wenn die Eltern sich scheiden ließen. Sie wusste auch, dass beide Elternteile eigentlich aus Liebe um sie stritten. Doch sie konnte nicht erkennen, was die Auseinandersetzung zwischen Veronica und Dermot Gutes an sich haben sollte. Und wenn einer von beiden sie fragte, was sie sich denn eigentlich wünsche, dann konnte sie nur immer wieder antworten, dass ihr sehnlichster Wunsch der war, dass sie alle wieder zusammen wären.
»Das ist nicht möglich«, erklärte ihr Kathryn eines Abends. »Du bist zwölf Jahre alt, Romy. Du musst erwachsen werden und dich mit den Tatsachen abfinden.«
Romy hatte das Gefühl, sich seit ihrer unglücklichen Auseinandersetzung mit Kathryn um Annabelle permanent mit irgendwelchen
Tatsachen abgefunden zu haben. Doch wie kühl und analytisch ihre Halbschwester sein und wie leicht sie ihre Empfindungen von dem abspalten konnte, was um sie herum vor sich ging, das überraschte Romy jedes Mal wieder aufs Neue.
»Es hat doch keinen Sinn, dass Mam und dein Dad zusammenbleiben, wenn sie dabei unglücklich sind«, versuchte Kathryn ihr klarzumachen. »Es wird nur noch mehr Streitereien geben.«
»Aber sie streiten sich meinetwegen«, sagte Romy. »Das finde ich furchtbar.«
»Dann entscheide dich für einen von beiden, und sag ihm, dass du bei ihm leben willst«, riet ihr Kathryn. »Du solltest deinen Dad nehmen. Du bist mehr wie dein Vater als wie Mutter. Außerdem will Mam dich wahrscheinlich nur deswegen, weil Dermot dich haben will. Im Grunde ist es ihr egal.«
Romy konnte ihr nur zustimmen. Sie hatte ohnehin noch nie das Gefühl gehabt, dass Veronica sie ebenso innig liebte wie Darragh und Kathryn. (Veronica beteuerte das zwar in regelmäßigen Abständen, und zwar immer dann, wenn Darragh sie Halbblut nannte, was witzig klingen sollte, aber Romy bezweifelte das. Auf jeden Fall war Veronica dann gezwungen, Darragh zu tadeln und sie in Schutz zu nehmen.) Und Romy konnte sogar verstehen, dass Veronica sie nicht so liebte wie die anderen. Sie beide waren vollkommen verschieden. Romy war nicht rank und schlank wie Veronica, auch fehlte ihr das Interesse ihrer Mutter an Kleidung und Mode. Sie war eine wilde Göre, die lieber auf Bäume kletterte,
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