Und eines Tages kommt das Glück
fest, dass ihre Hände zitterten. Kathryn starrte auf das Handy und erwartete, dass es zu klingeln anfangen
und dass er dieses Mal zurückrufen würde. Aber es blieb stumm.
Was würde Alan tun? Sie hatte sich alle möglichen Szenarien ausgemalt, hatte aber das schreckliche Gefühl, dass er auch noch die schlimmste Variante, die sie sich ausdenken konnte, toppen würde. Doch das spielte keine Rolle mehr. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen und ihm gesagt, dass sie die Scheidung wollte. Und wenn alles vorüber wäre, würde sie ihr Leben wieder zurückbekommen.
Kathryn setzte sich an Veronicas Computer und loggte sich in ihren Mail-Service ein.
Zuerst scrollte sie durch ihre beruflichen Mails, die automatisch an ihre persönliche Web-Adresse weitergeleitet wurden, wenn sie nicht im Büro war. Obwohl sie sie jeden Tag durchsah und beantwortete, soweit es ihr möglich war, blieb eine Menge Arbeit unerledigt liegen. Sie würde bald wieder nach New York zurückfliegen müssen. Als sie in ihrer Firma angekündigt hatte, dass sie Urlaub brauche, um ihre Mutter zu besuchen, aber nicht wisse, wie lange sie wegbleiben würde, hatte man sie fast ausgelacht. Schließlich hatte sie ihre Vorgesetzten daran erinnert, dass sie das ganze vergangene Jahr nicht einen Tag freigenommen habe. Nun bräuchte sie diese Zeit, und sie würde sie sich auf jeden Fall nehmen. Jetzt war die Zeit fast um.
Nicht nur diese Frist, dachte sie, während sie weiterhin auf den Bildschirm starrte und sich fragte, ob sie tatsächlich zurückfliegen und sich mit Alan auseinandersetzen müsse.
Schließlich hätte sie nicht viel zu verlieren, wenn sie in Irland bliebe, sondern sie könnte sich – im Gegenteil – sogar einiges ersparen. Sie konnte sich hier einen Job suchen. Es gab jede Menge Arbeit. Vielleicht sogar bei DCM. Kathryn lachte unfroh. Auch wenn Darragh und sie weiterhin gleich viele Anteile besaßen, war die Situation in der Firma seit der Umverteilung der Anteile eine vollkommen andere. Sie beide begegneten sich nun auf Augenhöhe.
Zuvor waren Kathryns Einwände irrelevant gewesen, da Veronica stets zu Darraghs Gunsten abgestimmt hatte, aber Romy würde sicher nicht immer auf Darraghs Seite stehen. Oder etwa doch? Kathryn massierte ihren Nacken, der zu schmerzen begonnen hatte.
Romy komplizierte die Sache beträchtlich. Veronica hätte ihr diese Anteile nicht überschreiben dürfen. Nicht etwa, weil sie ihr nicht zustanden, dachte Kathryn – sie hatte immer ein schlechtes Gefühl gehabt, weil Veronica und Darragh Romy stets von der Zugehörigkeit zur Dolan-Dynastie ausgeschlossen hatten –, sondern weil sie dadurch in eine unangenehme Position manövriert worden war. Außerdem hatte Romy im Grunde kein Interesse an dem Betrieb, was weiteres Konfliktpotential in sich barg.
Wirklich eine vertrackte Situation, dachte Kathryn. Persönlich, beruflich, für mich, für alle. Sie hatte sich erhofft, die eigenen Probleme zu Hause in Irland klären zu können, aber jetzt erschien ihr alles nur noch komplizierter.
Das schrille Geräusch der Türklingel ließ Kathryn hochschrecken.
»Mädchen, Mädchen«, murmelte sie. »Du musst nicht gleich vor Angst zu schlottern anfangen.«
Wieder klingelte es, noch fordernder dieses Mal. Kathryn schob den Stuhl zurück, stand auf, trat entschlossen in den Vorraum hinaus und öffnete die Tür. Draußen auf der Treppe stand ihr Bruder, und Kathryn stieß erleichtert die Luft aus, die sie unbewusst angehalten hatte.
»Hallo«, sagte sie, während sich ihr Bruder an ihr vorbei ins Wohnzimmer drängte. »Wie geht es Giselle?«
Darragh setzte sich kurz in einen Sessel, stand aber gleich wieder auf.
»Wahrscheinlich kannst du dir deine Freude nicht verkneifen«, sagte er, ohne auf ihre Frage einzugehen.
»Warum?«
»Wegen diesem Durcheinander, das Mam angerichtet hat.«
»Das ist doch kein Drama«, entgegnete Kathryn, obwohl sie gegenteiliger Ansicht war. »Oder muss es zumindest nicht sein.«
»Richtig«, schnaubte Darragh. »Unser kleines Halbblut …«
»Darragh!«
»Okay«, sagte er, »unsere intrigante Halbschwester …«
»Was bist du nur für ein Mensch?«, rief Kathryn. »Ehrlich, Darragh, du warst immer schrecklich zu Romy. Sie ist unsere Schwester, und damit hat sich der Fall.«
»Halbschwester«, wiederholte er. »Und sie ist intrigant.«
»Wieso?«
»Ja, glaubst du denn, sie steckt nicht hinter dieser Machenschaft?« , fragte er. »Für jemanden, der sich mit
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