Und eines Tages kommt das Glück
Kaffeepulver in die Becher löffelte. Sie stellte fest, dass ihre Hände zitterten, als der Löffel klappernd gegen den Becherrand schlug.
»Das sagt sie auch immer.« Alan kicherte. »Aber wir brauchen doch alle jemanden, oder nicht?«
»Wo ist meine Schwester?« Romy drehte sich fragend zu ihm um.
»Weißt du«, erklärte Alan, »ich habe nicht die leiseste Ahnung.«
Veronica hatte es sich in ihrem Hotelzimmer auf dem Bett gemütlich gemacht und schaute sich im Fernsehen einen Film an. Will, Graham und Connie, die beschlossen hatten, das Spezialangebot des Hotels auszunützen und noch ein paar Tage zu bleiben, waren unten an der Bar. Aber nach dem Essen hatte Veronica sich nach ein wenig Ruhe und Frieden gesehnt. Die ganze Woche über war sie (zumindest laut Will) der strahlende Mittelpunkt der Party gewesen und hatte die anderen mit ihren Geschichten und Anekdoten über ihr Leben, ihre Ehen und ihre Kinder unterhalten. Veronica hatte sich wirklich gut amüsiert mit ihren Freunden und gelegentlich auch mit anderen Gästen des Hotels. Erst am Abend
zuvor war sie mit zwei deutschen Rucksacktouristen ins Gespräch gekommen, ohne sich in Gesellschaft dieser beiden gut aussehenden jungen Männer in den Zwanzigern auch nur ein einziges Mal lächerlich oder alt gefühlt zu haben. Als sie ihr gute Nacht sagten, hatte sie wissen wollen, wohin sie denn jetzt gingen. Ins Bett, hatten sie geantwortet, weil sie am nächsten Tag ein volles Programm hätten und noch ein wenig Ruhe bräuchten. In dem Moment war Veronica schlagartig klar geworden, dass die beiden Männer ein Paar waren, und sie hatte nicht gewusst, ob sie weinen oder lachen sollte, weil sie geglaubt hatte, sie würde mit ihnen flirten.
Vielleicht bin ich doch allmählich nicht mehr auf der Höhe der Zeit, hatte sie gedacht, als sie in den Spiegel hinter der Theke schaute. Oder vielleicht bekomme ich auch die unterschwelligen Signale nicht mehr richtig mit!
Als sie ihren Bridgefreunden eröffnet hatte, dass sie nach dem Essen in ihr Zimmer ginge, hatten diese viel Aufhebens darum gemacht und wissen wollen, ob alles in Ordnung sei mit ihr, und sie hatte sie beruhigt, dass es ihr bestens gehe. Nur Connie hatte sie besorgt angeschaut und geäußert, dass es Veronica gar nicht ähnlich sehe, einen ruhigen Abend verbringen zu wollen. Sie sollte es sagen, wenn sie wieder Rückenschmerzen habe. Ihr Arzt hätte ihr Schmerztabletten mitgegeben, die wahre Wunder an ihren kaputten Knien bewirkten.
Veronica hatte daraufhin allen versichert, dass sie lediglich mal eine Zeit lang allein sein wolle, ein wenig irritiert, dass man dies von ihr offensichtlich nicht erwartete. Allerdings verstand sie ihre Freunde durchaus, und meistens hatten sie auch recht. Sie war nicht der Typ fürs Alleinsein. Sie war lieber unter Menschen, dann hatte sie nämlich keine Zeit zum Nachdenken.
Im Allgemeinen war Veronica nicht ein Mensch, der sich viel mit sich selbst beschäftigte. Aber sie hatte einige Stunden mit ihrer Entscheidung gerungen, Romy die Anteile zu überschreiben, und sich dabei gefragt, ob das wirklich das Richtige war. Sie hatte
nicht viel darüber nachgedacht, wie Darragh das aufnehmen würde, aber jetzt musste sie zugeben, dass er sich vielleicht doch ein wenig übergangen fühlen könnte. Ihre Kinder würden damit leben müssen, genauso, wie sie mit ihrer Entscheidung leben musste, das Haus zu verkaufen und in eine kleinere Wohnung umzuziehen. Irgendwann hatte Veronica nämlich begriffen, dass sie, wenn sie weiter in Avalon bliebe, in einem Mausoleum der Erinnerungen an Tom verharren würde. Sie würde weiterhin einer Vergangenheit nachtrauern, die nicht so gewesen war, wie sie sich das vorgestellt hatte. Ihre Ehe mit Dermot war gescheitert, weil sie einen zweiten Tom – der er nicht war – aus ihm hatte machen wollen. Sie hatte gewollt, dass sie für ihn immer an erster Stelle kam, und diesen Wunsch hatte er ihr nicht erfüllt. Am Anfang hatte Veronica genau diese Unabhängigkeit an ihm gefallen, aber dann war ihr mit Entsetzen bewusst geworden, dass sie auch bei allen anderen Menschen immer an erster Stelle stehen wollte. Es gab nichts Schöneres für sie, als der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu sein. Tom hatte ihr dieses Gefühl gegeben, trotz der Firma, indem er ihr erklärte, dass er alles, was er tue, nur für sie mache. Es war nicht leicht gewesen, sich an Dermots starre Haltung zu gewöhnen, dass er sie zwar liebe, dass ihm seine Karriere aber auch
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