Und eines Tages kommt das Glück
nicht einmal weiß, wo sie ist?«, antwortete Romy.
»Ich weiß, wie wir sie finden können.« Alan lächelte, und Romy lief es kalt über den Rücken. Er ist verrückt, dachte sie. Und sie hatte keine Ahnung, wie man mit jemandem umging, der völlig irrational handelte. Sie wusste nicht, ob es überhaupt etwas gab, das die Situation entschärft hätte, und ob sein Zorn sich plötzlich legen könnte. Romy wusste nicht, ob dieser Mann ein psychisches Problem hatte oder ob er einfach nur ein grober Klotz war. Sie hatte keine Ahnung, was sie tun sollte.
Alan packte sie erneut am Handgelenk, und sie stöhnte auf.
»Komm mit«, sagte er und zerrte sie hinter sich aus dem Haus und hinaus in den Garten.
»Was machst du da?« Vor Schmerz traten ihr die Tränen in die Augen.
»Ruf sie«, verlangte er. »Ruf Kathryn.«
»Wozu soll das gut sein?«
»Sie versteckt sich«, sagte Alan. »Sie ist feige. Ruf sie, und sag ihr, dass sie herkommen soll.«
»Wenn sie sich vor dir versteckt, dann deswegen, weil sie Angst hat«, antwortete Romy keuchend. »Wenn ich sie rufe, ändert das gar nichts.«
»Vielleicht doch«, meinte Alan. »Denn wenn du sie rufst, dann sag ihr, dass ich dir das Genick brechen werde, wenn sie nicht herauskommt.«
Romy sah ihn entsetzt an. »Das ist doch krank«, flüsterte sie.
»Das kannst du nicht tun. Das ist Mord. Eine Dummheit ist das. Du musst mal logisch darüber nachdenken.«
»Jetzt halt endlich dein verficktes Maul!« Alan drehte ihr brutal den Arm auf den Rücken. »Du bist die größte Schwätzerin, die ich je erlebt habe.«
»Aber du bist kein Mörder«, sagte Romy mit bebender Stimme. »Es ist klar, dass du ein Problem mit Kathryn hast und dass das gelöst werden muss. Aber mir das Genick zu brechen ist auch keine Lösung.«
»Vielleicht nicht«, stimmte Alan ihr zu. »Vielleicht breche ich dir auch bloß den Arm.« Wieder drehte er ihren Arm ein Stück weiter nach oben, und sie schrie erneut auf vor Schmerz. »Oder ich breche dir das Bein. Ist auch egal, oder? Und jetzt ruf sie.«
Als Kathryn Romys ersten Schmerzensschrei hörte, tastete sie sich an den Rand des Daches vor und sah die beiden durch die Blätter des Apfelbaums in dem Lichtkegel stehen, der aus dem Wohnzimmer in den Garten fiel. Entsetzt starrte sie auf ihren Mann und auf Romy. Wie hatte sie es nur so weit kommen lassen können? Sie versteckte sich hier oben auf dem Dach, während Romy unten von ihrem Mann bedroht wurde. Sie hatte es so weit kommen lassen, weil sie schwach und unsicher war und weil sie sich nicht eingestehen konnte, dass ihr Mann ein gewalttätiger Mensch und gefährlich war. Weil sie immer geglaubt hatte, dass Gewalt nur anderen Menschen passierte, nicht Menschen wie ihr. Weil sie dumm gewesen war. Obwohl sie immer geglaubt hatte, stark zu sein, war sie schwach. Eine Versagerin. Und weil sie versagt hatte, war ihre Schwester jetzt in Gefahr.
»Kathryn.« Romy hatte beschlossen, ihre Schwester zu rufen. »Kathryn, mir geht es gut, mach dir keine Sorgen. Wir finden sicher eine Lösung. Alan ist aufgebracht. Das verstehe ich.« Sie schluckte. »Ich will dir nur sagen, du kannst bleiben, wo du bist. Das ist in Ordnung für mich.«
Sie stöhnte auf, als Alan ihr erneut den Arm auf den Rücken bog.
»Ich will, dass sie in fünf Minuten hier vor mir steht«, drohte er. »Sonst breche ich dir den Arm.«
»Um Himmels willen!«, rief Romy. »Was machst du da? Du redest davon, mir den Arm zu brechen, als wärst du irgendein kleiner, schäbiger Ganove. Du bist ein erfolgreicher Geschäftsmann! Du hast so etwas doch gar nicht nötig.«
»Ich habe Erfolg, weil ich stark bin«, sagt Alan. »Ich habe meiner ersten Frau vieles durchgehen lassen, und am Schluss hat sie sich von mir scheiden lassen und mich auch noch über den Tisch gezogen. Dieses Mal wird mir so etwas nicht passieren.«
Er ist nicht mehr bei Verstand, dachte Romy. Man konnte nicht mehr vernünftig mit ihm reden, und sie glaubte nicht, dass es noch viel Sinn hatte, es weiter zu versuchen. Jetzt begriff sie, weshalb Kathryn nach Hause gekommen war und warum sie nicht darüber hatte sprechen wollen. In einer solchen Situation hatte sie noch nie gesteckt. Romy erging es wie Kathryn, auch sie konnte sich nicht vorstellen, von einem Mann geschlagen zu werden. Beide waren sie starke Frauen, die ihr Leben im Griff hatten. Sie waren nicht von einem Mann abhängig und gingen ihren eigenen Weg. Und trotzdem war sie jetzt hier in diesem Garten, im
Weitere Kostenlose Bücher