Und eines Tages kommt das Glück
hatten, gefragt.
Das war in der Vorstandsetage eines imposanten Bürogebäudes in Midtown gewesen. Zusammen mit einem Kollegen hatte Kathryn sich die Befürchtungen der Firmenleitung angehört, einer der Angestellten könnte die Bilanzen fälschen und somit die Firma betrügen.
»Sollte tatsächlich ein Betrug vorliegen, dann fällt er zwar nicht sehr ins Gewicht«, erklärte ihr Mitch Kraviz, einer der Finanzchefs der Firma. »Aber bisher sind wir noch nicht dahintergekommen. Und das beschäftigt uns sehr.«
»Fast jeder größere Betrug fängt klein an.« Kathryn strich sich das feine, dunkle Haar aus dem Gesicht, was unnötig war, da sie genau wusste, dass ihrer glatten Föhnfrisur keine Strähne entschlüpfte. Ihre klaren blauen Augen musterten die Vorstandsmitglieder der Firma. »Jemand stiehlt ein paar hundert Dollar, und Sie finden, dass es nicht der Mühe wert ist, der Sache nachzugehen. Aber dann passiert das mehrere Jahre lang jede Woche, und bald ist die Rede von Tausenden von Dollar. Unternehmen Sie jetzt nichts dagegen, dann geben Sie Ihren Angestellten grünes Licht, Sie nach allen Regeln der Kunst auszunehmen.«
»Die Sache ist die …« Alan Palmer meldete sich zum ersten Mal zu Wort. Seine tiefe, melodiöse Stimme ließ Kathryn interessiert aufhorchen, und sie fühlte sich sofort zu ihm hingezogen, was nicht zuletzt an seinem hollywoodmäßigen Aussehen lag. »Unsere Revisoren haben nichts gefunden, und wir sind nicht einmal sicher, ob es sich nicht lediglich um eine interne Panne handelt. Wir wollen auf jeden Fall negative PR vermeiden, die sich als katastrophal für uns erweisen könnte.«
»Wenn es stimmt, was Sie sagen, und der Schaden tatsächlich so gering ist, dass Sie ihn gar nicht beziffern können, könnten Sie zumindest präventiv vorgehen«, schlug Kathryn vor. »Nichts zu tun wäre tausendmal schlimmer, sowohl für Ihre Rentabilität als auch für Ihre PR.« Dabei lächelte sie Alan zu.
»Sie haben recht.« Mitch war plötzlich fest entschlossen. »Lassen Sie uns die Sache in Angriff nehmen.«
Die Untersuchung hatte sich als äußerst interessanter Fall erwiesen (zumindest für Kathryn, auch wenn sie genau wusste, dass die meisten Leute Buchhaltung im Allgemeinen und ihr Spezialgebiet – investigative Wirtschaftsprüfung – im Besonderen als öde und langweilig empfanden). Letzten Endes hatte sie herausgefunden, dass einer der Angestellten tatsächlich die Bücher frisiert und die Firma bislang um achtundsechzigtausend Dollar erleichtert hatte.
»Ein Verlust dieser Größenordnung ist zu verkraften.« Als Mitarbeiter der PR-Abteilung war Alan Palmer stets besorgt, welchen Eindruck solche Dinge auf Investoren und Kunden machten. »Und intern können wir Georges Rausschmiss als Kündigung seinerseits verkaufen, damit wir in einem guten Licht dastehen.«
Kathryn nickte.
»Wir wissen Ihre Hilfe in dem Fall sehr zu schätzen«, fügte Mitch hinzu. »Ebenso Ihre Diskretion.«
Alan grinste. »Wir würden Sie und Ihre Kollegen ja gern zum Essen einladen, aber eigentlich würden wir nur ungern mit Ihnen gesehen werden.«
Kathryn lachte. »So wichtig sind wir bei Carter Clarke auch wieder nicht«, versicherte sie ihm. »Ich glaube nicht, dass es ein PR-mäßiger Supergau für Sie wäre, mit uns gesehen zu werden. Aber ich verstehe Ihre Haltung vollkommen. Es reicht uns durchaus, wenn Sie pünktlich Ihre Rechnung bezahlen.«
Amüsiert über die Bedenken ihrer Kunden, verließ Kathryn das Gebäude und kehrte in ihr eigenes Büro zurück, wo sie ihren Laptop aufklappte und begann, an einer Präsentation zu arbeiten, die sie vor einer Firmengruppe zum Thema Betrugsvermeidung halten würde.
Kathryn wusste, dass sie gut war in ihrem Beruf. Ihr gelang es, Widersprüche in Bilanzen ausfindig zu machen und Dinge herauszufinden, die Wirtschaftsprüfer oft übersahen. Normalerweise reagierten ihre Kunden stets mit Entsetzen darauf, da sie davon ausgingen, dass Schwachstellen in den Büchern von hauseigenen Revisoren gefunden werden müssten. Wozu waren sie schließlich da? Doch Kathryn konnte sie mit ihrer Erklärung beruhigen, dass die meisten Rechnungsprüfer nach einem bestimmten Schema vorgingen und nicht dafür ausgebildet waren, betrügerische Manipulationen zu entdecken. Ihre Methoden hingegen waren vollkommen anders.
Sie hatte gerade die Kurzfassung ihrer Präsentation beendet, als das Telefon klingelte.
»Ich bin’s«, meldete sich Alan Palmer. »Ich habe es mir noch
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