Und eines Tages kommt das Glück
einmal gründlich durch den Kopf gehen lassen, ob ich mich mit Ihnen in der Öffentlichkeit blicken lassen kann oder nicht.«
Kathryn lachte. »So, tatsächlich?«
»Ja, tatsächlich. Und ich habe mir überlegt, wenn Sie vielleicht eine Maske tragen würden …«
»Ich denke, darauf werde ich lieber verzichten. Trotzdem danke für das Angebot.«
»Vielleicht geht es ja auch ohne.« Er lachte. »Schließlich – warum sollten Sie Ihr hübsches Gesicht hinter einer Maske verstecken?«
»War das als Kompliment gedacht?«, fragte sie.
»Ja.«
»Na, dann stellen Sie sich gar nicht so dumm an.«
»Also, was halten Sie von meinem Vorschlag?«, fragte er. »Heute Abend im Four Seasons? Ohne Masken.«
»Heute Abend kann ich nicht«, erklärte sie ihm. »Aber morgen würde es gehen.«
»Dann bis morgen.«
Es war ein wunderbares erstes Rendezvous gewesen, denn darauf war es schließlich hinausgelaufen. Das ganze Essen hindurch hatte eine fast mit Händen zu greifende erotische Spannung in der Luft gelegen. Nie zuvor hatte Kathryn für einen Mann Ähnliches empfunden; innerhalb ihrer Familie hatte sie immer als unterkühlt und emotionslos gegolten. Sie war nicht draufgängerisch und arrogant wie Darragh, auch nicht so hitzköpfig und emotional wie Romy. Kathryn war ruhig und besonnen und dachte immer erst nach, bevor sie handelte. Auch an diesem Abend dachte sie erst nach, bevor sie mit Alan Palmer in dessen Wohnung ging. Aber nicht sehr lange. Und das Einzige, woran sie denken konnte, als sie sich auf sein Bett sinken ließ, war, dass er für sie der begehrenswerteste Mann auf der Welt war.
Als Kathryn am nächsten Tag zur Arbeit kam, lag eine Kilotüte besten arabischen Kaffees auf ihrem Schreibtisch. Sie lächelte, als sie das sah. Sie hatte Alan erzählt, dass sie diesen Kaffee liebte und dass dessen Aroma sie definitiv anmachen würde. Sie hatten beide darüber gelacht, und er hatte ihr erklärt, dass sie sich definitiv sehr von den anderen Frauen unterscheiden würde, mit denen er sich sonst traf. Als Kathryn die Packung an die Nase drückte und den Duft einatmete, dachte sie, dass auch er so ganz anders war als die Männer, mit denen sie normalerweise zu tun hatte. Und dass sie sich in ihn verliebt hatte. Sie war noch nie zuvor in ihrem Leben richtig verliebt gewesen.
Sich zu verlieben war für Kathryn einem Erdbeben gleichgekommen, das ihre Welt vollkommen aus den Angeln gehoben hatte. Sie verlor sich vollständig in diesem Gefühl der Verliebtheit für Alan und genoss es, einen Menschen gefunden zu haben, der wichtiger für sie war als jeder andere zuvor und in dessen Leben auch sie die wichtigste Rolle spielte.
Als sie noch jünger war, war sie für niemanden der wichtigste Mensch auf der Welt gewesen. Wie sollte sie auch, da doch Darragh, der älteste Bruder, schon früh darauf vorbereitet wurde, als Kronprinz den Familienbetrieb zu übernehmen, und Romy, die kleine Schwester, als Jüngste der Familie von ihrem Vater nach allen Regeln der Kunst verwöhnt wurde? Sie war das Sandwichkind gewesen, das jeder übersehen hatte, und hatte stets darunter gelitten.
Doch jetzt war alles anders. Zum ersten Mal in ihrem Leben schwebte Kathryn auf Wolke sieben und konnte ihr Glück nicht fassen. Alan verkörperte all das, was sie sich jemals von einem Mann gewünscht hatte. Er war stark, dynamisch, kraftvoll. Und natürlich sehr erfolgreich. Kathryn umgab sich gern mit erfolgreichen Menschen. Sie schätzte deren Energie und Enthusiasmus und vor allem ihre Einstellung, Fehlschläge einfach nicht gelten zu lassen.
Erfolg war für Kathryn immer wichtig gewesen, sowohl was sie selbst betraf als auch die Menschen in ihrem Umfeld. Nach dem Studium hatte sie für eine internationale Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit Sitz in Dublin zu arbeiten angefangen, und als sich die Gelegenheit ergab, hatte sie sich um eine Position in der amerikanischen Niederlassung beworben. Man hatte ihr zunächst eine Stelle in der Revisionsabteilung angeboten, und von da an hatte sie sich immer mehr mit den Aspekten der investigativen Buchhaltung beschäftigt. Sie war in diversen Bereichen eingesetzt worden, bevor sie sich schließlich ganz auf das Thema Unternehmensbetrug spezialisiert hatte. In dieser Funktion hatte sie in
einer Vielzahl von Fällen, die ausnahmslos alle zugunsten ihrer Klienten entschieden worden waren, vor Gericht als Zeugin ausgesagt. Alle waren sich einig, dass Kathryn Dolan nicht nur die Fähigkeit besaß,
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