Und eines Tages kommt das Glück
komplizierte Zusammenhänge leicht verständlich zu erklären, sondern im Zeugenstand auch noch eine hervorragende Figur abgab, stets makellos gekleidet und ohne die geringste Unsicherheit.
Nach ihrer ersten Gerichtsverhandlung hatte sie Kopien der Zeitungsartikel nach Hause an Veronica geschickt, die sie einmal angerufen und gefragt hatte, was sie denn eigentlich so mache.
»Zahlen knacken«, erklärte Kathryn. »Nur dass ich bei meiner Arbeit erst die richtigen Zahlen zum Knacken finden muss. Es ist äußerst interessant, in Finanzberichten zu stöbern und zu schauen, was dabei so alles herauskommt.«
»Investigative Buchhaltung und forensische Archäologie.« Veronica hatte verzweifelt geklungen. »Was ist nur los mit meinen Töchtern, dass ihr offenbar beide das Bedürfnis verspürt, in alles eure Nase zu stecken?«
Kathryn lachte. »Unter dem Aspekt habe ich das noch nie gesehen.«
»Nun, ich schon«, erwiderte Veronica. »Warum könnt ihr nicht etwas machen, womit ihr mehr … mehr Spaß im Leben habt?«
»Aber das macht Spaß!«
»Das behauptet Romy auch.«
»Wir sind glücklich, Mam«, erwiderte Kathryn. »Wir tun das, was wir tun wollen, und das ist gut so.«
»So ein Leben habe ich mir aber für keine von euch beiden vorgestellt«, entgegnete Veronica.
»Tja, nun«, meinte Kathryn leichthin. »Im Leben läuft es nicht immer so, wie man sich das vorstellt.«
Auch in ihrer Ehe mit Alan nicht.
Kathryn nahm eine weitere Zigarette aus der Packung, die auf dem kleinen Holztisch neben ihr lag. Seit einiger Zeit versuchte
sie, sich das Rauchen abzugewöhnen, aber bisher hatte es noch nicht geklappt. Tja, in dem Punkt bin ich wohl eine Niete, auch wenn mein Versagen nicht sehr gravierend ist. Trotzdem, da will mir etwas nicht gelingen, obwohl ich mich anstrenge. Ich kann Erfolg haben, und ich kann versagen. Aber ich will immer Erfolg haben.
Kathryn starrte ins Leere, während der blaugraue Rauchfaden vor ihr aufstieg und vom Wind weggeweht wurde. Die Lichter der Wohnblocks verschwammen vor ihren Augen, und sie fragte sich, ob sich die Menschen darin wohl auch so allein in dieser Millionenstadt fühlten. Sie fröstelte in der Abendluft, obwohl es nicht kalt war.
Ich sollte mich wirklich zusammenreißen und mit dem Rauchen aufhören, dachte sie. Vielleicht fühle ich mich dann besser, wenn ich mal wieder ein Erfolgserlebnis habe. Kathryn beendete die Zigarette mit ein paar hastigen Zügen, drückte sie aus und kehrte in die Wohnung zurück. Unentschlossen stand sie dort ein paar Minuten herum und spielte mit ihrem langen, dunklen Haar, ehe sie zum Telefon griff.
Es ging ihr nicht so sehr darum, mit Veronica zu sprechen – Kathryn hasste Gespräche über Krankheit und körperliche Hinfälligkeit –, aber sie wollte sich vergewissern, dass Romy gut angekommen war und die Verantwortung für die Situation übernommen hatte. Es war höchste Zeit, dass Romy etwas für ihre Familie tat und anerkannte, dass Veronica auch ihre Mutter war. Romy hatte stets größten Wert auf die Feststellung gelegt, dass sie einen anderen Vater hatte als Kathryn, und darüber anscheinend fast vergessen, dass Kathryns und Darraghs Mutter auch die ihre war. Zugegeben, manchmal verstand Kathryn Romys Probleme sogar, trotzdem war sie der Ansicht, dass ihre jüngere Schwester viel zu leicht die Fassung verlor. Schließlich war Dermot auch für sie der einzige Vater gewesen, den sie jemals gekannt hatte. Und das hatte sie Romy auch gesagt, als Dermot und Veronica ihre Trennung
ankündigten. Natürlich gab es einen biologischen Unterschied – aber sie hatte Dermot gekannt, Tom nicht.
Kathryn fühlte sich immer ein wenig schuldig, weil sie diesen Mann, der nicht ihr Vater war, geliebt und sich gewünscht hatte, er würde sie ebenso sehr lieben wie Romy, wohingegen sie an ihren leiblichen Vater nicht die geringste Erinnerung hatte. Das kam ihr irgendwie nicht richtig vor, und deshalb erzählte sie Darragh oft, dass sie sich an Dinge, die mit Tom zu tun hatten, erinnern könne, auch wenn das nicht stimmte.
Kathryn bedauerte es sehr, dass sie ihren verstorbenen Vater nicht gekannt hatte. Wie gern hätte sie sich an irgendetwas – irgendeine Kleinigkeit – erinnert, um für sich Sicherheit in dem Wissen über ihren leiblichen Vater zu finden. Früher hatte sie oft mit Romy über das Thema Väter gestritten, weil die kleine Schwester immer damit angegeben hatte, dass ihr Vater schließlich bei ihnen sei. Romy war
Weitere Kostenlose Bücher