Und eines Tages kommt das Glück
ebenso clever gewesen war.
Natürlich wollte Darragh keine dumme Frau haben, dachte Kathryn, während sie auf die verstopften New Yorker Straßen hinabblickte, er wollte nur nicht auf den zweiten Platz verwiesen werden. Und das konnte Kathryn sogar verstehen, denn niemand mochte das. Auch sie nicht.
Letzten Endes war Darragh sich treu geblieben und hatte die entzückende Giselle geheiratet, die intellektuell keine Bedrohung für ihn darstellte, obwohl sie, wie Kathryn anerkennen musste,
ziemlich gerissen war. Giselle wusste sich auf eine Art zu helfen, die Kathryn fremd war. Kathryn war intelligent und gebildet, wohingegen Giselle mehr Lebensklugheit besaß. Eigentlich eine dumme Unterscheidung, die aber nichtsdestotrotz stimmte.
Was würde Giselle in ihrer Lage tun, überlegte Kathryn. Würde sie bleiben oder würde sie gehen, wenn sie ein Problem mit Darragh hätte?
Die Frage war rein rhetorischer Natur, denn Giselle würde zweifellos gehen. Sie würde ihre Maske fallen lassen und wie eine Tigerin um das kämpfen, was ihr zustand. Warum wusste man eigentlich immer besser, wie andere Leute reagieren würden, als wie man selbst handeln sollte? Wäre eine andere Frau zu ihr gekommen und hätte ihr die Situation geschildert, hätte Kathryn nicht lange überlegen müssen und ihr den Rat gegeben, ihren Mann hochkant aus dem Haus zu werfen und die Türschlösser auszutauschen.
Wieso, verflixt noch mal, brachte sie das nicht zustande? Was stimmte nicht mit ihr, dass sie ihren eigenen Rat nicht befolgen konnte? Warum ließ sie es zu, dass sie so aus der Bahn geworfen wurde? Dachte sie vielleicht insgeheim, dass eine Ehe mit einem Mann wie Alan immer noch besser war, als überhaupt nicht verheiratet zu sein? Nein, sie wusste, dass es nicht so war. Aber dass sie so gar nichts dagegen unternahm, dass sie sogar Angst hatte, etwas zu tun … war das nicht Beweis genug für ihre Dummheit? Und während sie hochnäsig auf Darragh herabgeschaut hatte, weil er in ihren Augen so begriffsstutzig war, und auf Romy, weil die ihrer Meinung nach von nichts eine Ahnung hatte, war sie diejenige gewesen, die einen Fehler nach dem anderen machte. Darragh war glücklich mit seiner Giselle, und Romy fühlte sich wohl bei ihren alten Knochen, während sie, Kathryn, die Kluge, die mehr wusste als die anderen beiden zusammen, litt wie ein Hund und große Angst vor der Zukunft hatte.
Als das Telefon klingelte, erschrak sie so sehr, dass sie mit dem Kopf gegen die Fensterscheibe stieß.
»Mist«, schimpfte sie laut in dem leeren Zimmer und rieb sich die Stirn. »Mist, Mist, Mist.«
Romy und Veronica schauten sich das Nachmittagsprogramm im Fernsehen an. Normalerweise wäre Romy nicht im Traum auf die Idee gekommen, sich am Nachmittag vor den Fernseher zu setzen, aber draußen regnete es in Strömen, und Veronica hatte darauf hingewiesen, dass eine Sendung wiederholt wurde, von der sie annahm, dass sie Romy interessieren könnte.
»Es geht um ein Kloster aus dem dreizehnten Jahrhundert, das man auf dem Sportgelände einer Schule entdeckt hat«, erzählte Veronica. »Das ist doch was für dich.«
Romy hatte sich überreden lassen, und wenn sie ehrlich war, dann musste sie zugeben, dass sie den Bericht über die Ausgrabungen und die Entdeckung einer Begräbnisstätte extrem spannend fand. Und irgendwie gefiel es ihr auch, neben ihrer Mutter zu sitzen und sich die Sendung gemeinsam anzuschauen, auch wenn Veronica jedes Mal heftig die Nase rümpfte und »Igitt« sagte, wenn die Archäologen mit größter Sorgfalt die Erdschicht abtrugen und die menschlichen Überreste freilegten.
»Solche Sachen machst du?«, fragte Veronica, als eine Mitarbeiterin aus dem Team aufgeregt den anderen zu verstehen gab, dass sie eine menschliche Hand gefunden hatte.
Romy nickte. »Aber oft kommt es nicht vor, dass man das so kompakt am Stück findet«, erklärte sie ihrer Mutter. »Meistens sind es nur ein paar unansehnliche Knochenreste, die recht schwierig zu identifizieren sind – es sei denn, man weiß, wonach man sucht.«
»Das ist eine ziemlich komplizierte Arbeit, oder?«
»Tja, man sollte sein Handwerk schon verstehen«, stimmte Romy ihr zu.
»Dann scheinst du dein Talent ja doch nicht vergeudet zu haben.«
Überrascht schaute Romy sie an. »Ich habe gar nicht gewusst, dass du mich für klug oder sogar begabt hältst.«
»Natürlich bist du das.«
»Das sagst du mir nie.«
»Das muss ich dir doch nicht extra sagen.«
Romy erwiderte
Weitere Kostenlose Bücher