Und eines Tages kommt das Glück
nichts.
»Wahrscheinlich hatte ich immer eine falsche Vorstellung davon, was es heißt, seinen Verstand richtig einzusetzen«, gestand Veronica. »Für mich war das stets gleichbedeutend damit, ein Unternehmen zu leiten.«
»Daran ist nur euer Familienbetrieb schuld«, meinte Romy. »Toms Kinder sind beide die geborenen Unternehmer. Ich habe Dermots Blut in mir, und das ist ein großer Unterschied.«
»Das ist ja schon zu einer fixen Idee bei dir geworden«, erwiderte Veronica. »Du bist ganz und gar nicht anders als die anderen.«
»Mam, ich bin vollkommen anders«, erklärte Romy. »Ich sehe nicht aus wie sie, ich denke nicht wie sie, und ich werde es auch niemals tun.«
»So unähnlich seht ihr euch auch wieder nicht«, widersprach Veronica. »Kathryn und du, ihr habt beide das gleiche dunkle Haar. Und Darragh übrigens auch.«
Plötzlich musste Romy lachen. »Aber keiner von uns hat deine Haarfarbe«, stellte sie fest. »Selbst wenn du mal heller, mal dunkler blond warst – sie haben ihr dunkles Haar von Tom und ich meines von Dermot. Darraghs Haar ist ein bisschen wellig, so wie deines, wenn du es nicht gerade mit diesem Glätteisen bearbeitest. Kathryns dagegen ist glatt, aber Tom hatte ja auch glattes Haar. Und meine Haare sind dunkel und glatt, weil ich sie von Dermot geerbt habe. Die Gene.«
»Das weißt du doch gar nicht«, widersprach Veronica. »Du und Kathryn – euer Haar könnte genetisch gleich sein, weil dieses Gen von mir ist.«
»Auf keinen Fall«, widersprach Romy. »Kathryn hat ganz feines
und seidiges Haar, so wie du. Mein Haar ist dick und fest wie das von Dermot, also völlig anders.«
»Du scheinst dir ja stundenlang Gedanken über unsere Haare gemacht zu haben«, bemerkte Veronica.
»Habe ich nicht«, antwortete Romy unwirsch. »Aber das ist doch offensichtlich.«
»Warum willst du eigentlich unbedingt anders sein?«, fragte Veronica. »Warum ist das so wichtig für dich?«
»Ich will doch nicht anders sein.« Romy zögerte, ehe sie weitersprach. »Ich wollte nie anders sein. Wer will das schon? Aber irgendetwas war doch immer. Und über allem hing der Schatten von Tom.«
»Das bildest du dir nur ein.«
»Nein, tue ich nicht«, widersprach Romy. »Auch Darragh und Kathryn haben das so empfunden. Ihr Erbe. Die verdammte Firma, die immer präsent war und mit der weder Dermot noch ich etwas zu tun hatten. Wegen der Firma waren wir beide die Außenseiter und werden es immer sein.«
»Oh, Romy.« Veronicas Betroffenheit schien echt zu sein. »Dermot hat das immer nur als Ausrede benutzt. Ihm standen alle Möglichkeiten zur Mitarbeit offen. Einmal, da dachte ich … Na ja, ich habe natürlich versucht, ihn für die Firma zu interessieren, aber er wollte nichts damit zu tun haben. Er wollte auch nie Teil der Familie sein.«
»Wie kannst du so etwas nur sagen!« Romy nahm die Fernbedienung und stellte den Ton stumm. »Er war mit dir verheiratet und hat zur Familie gehört, so wie ich! Aber für dich ist Tom noch immer wichtiger als Dad, genauso wie Darragh und Kathryn wichtiger sind als ich.«
»Das stimmt doch überhaupt nicht!« Veronica war schockiert. »Ich bevorzuge keines meiner Kinder.«
Romy wollte nicht mit ihr streiten. Aber sie wusste, dass Veronica sich in dem Punkt irrte.
Kapitel 13
Romy stieß einen Freudenschrei aus, als sie am nächsten Tag eine SMS von ihrer Freundin Colleen erhielt, die ankündigte, für einen Tag nach Dublin zu kommen. Romy hatte allmählich befürchtet, dass alle ihre irischen Freunde sie vergessen haben könnten. Sie hatte Colleen vor ihrer Abreise aus Australien gesimst und ihr geschrieben, dass sie auf dem Weg zurück nach Irland sei und sich freue, sie wiederzusehen. Auch Colleen hatte sich sehr über ein Treffen gefreut, Romy aber vorgewarnt, dass sie momentan nicht frei über ihre Zeit verfügen könne und deshalb einige organisatorische Klimmzüge machen müsse, um überhaupt in die Stadt kommen zu können.
Colleen Rafferty war seit der Schulzeit mit Romy befreundet, und sie waren die ganze Zeit über per SMS und E-Mail in Kontakt geblieben. Die beiden Freundinnen hatten zusammen studiert und vorgehabt, gemeinsam an so vielen Ausgrabungen wie möglich als Freiwillige teilzunehmen, aber dazu war es dann leider nicht mehr gekommen. Colleen hatte kurz vor dem Studienabschluss entdeckt, dass sie schwanger war.
»Es gibt Schlimmeres«, hatte sie Romy erklärt, als sie zusammen in der Cafeteria der Universität saßen.
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