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Und erlose uns von dem Bosen

Titel: Und erlose uns von dem Bosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patterson James
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Sie glauben, sie könnten präzise voraussagen, was in der Zukunft geschehen wird, weil sie wissen – zumindest sind sie überzeugt, das zu wissen -, was in der Vergangenheit geschehen ist. Ich vermute, das trifft ebenso auf Paris, London, Tel Aviv und die ganze Welt zu: Alle diese Menschen sind im Grund intelligent, vielleicht sogar wohlmeinend, wenn
sie verkünden: »Das könnte nie passieren.« Oder: »So dürfte es in der realen Welt ablaufen.« Als ob sie es tatsächlich wüssten. Aber sie wissen es nicht. Niemand weiß es.
    Heutzutage kann niemand mehr Wetten auf irgendwas abschließen. Alles kann passieren. Und früher oder später wird es auch passieren. Als eine Spezies scheinen wir keineswegs gescheiter zu werden, nur verrückter und wahnwitziger. Oder zumindest sehr viel gefährlicher. Unerträglich gefährlicher.
    Aber möglicherweise war das nur meine Stimmung auf dem Rückflug von Paris. Schließlich hatte sich dort eine grauenvolle Tragödie ereignet. Der Wolf hatte gewonnen, wenn man das, was er tat, als Sieg bezeichnen konnte. Und es war nicht einmal ein knapper Sieg gewesen.
    Ein machtbesessener Russe hatte sich anscheinend die Taktiken des Terrorismus zu Eigen gemacht. Er war uns überlegen – organisierter, verschlagener und weitaus brutaler, wenn er Ergebnisse brauchte. Ich konnte mich nicht erinnern, wann wir in unserem Kampf gegen den Wolf und seine Truppen zum letzten Mal einen Sieg errungen hatten. Er war zu gerissen. Ich betete inständig, dass jetzt alles vorbei sein möge. Konnte das sein? Oder war es nur wieder eine Ruhe vor dem nächsten Sturm? Ich vermochte den Gedanken an diese furchtbare Möglichkeit nicht zu ertragen.
    Am Donnerstag traf ich kurz vor drei Uhr nachmittags daheim ein. Die Kinder waren zurück. Nana hatte die Fifth Street nie verlassen. Ich bestand darauf, das Abendessen selbst zu kochen. Davon ließ ich mich durch kein Nein abbringen. Genau das brauchte ich: ein gutes Essen kochen, mit Nana und den Kindern plaudern – über alles Mögliche und viele Umarmungen. Und kein einziges Wort über die Geschehnisse in Paris oder über den Wolf oder irgendwelche Polizeiarbeit.

    Ich bereitete ein französisches Mahl à la Alex Cross zu und sprach sogar während der Vorbereitungen mit Damon und Jannie Französisch. Jannie deckte mit Nanas Silberbesteck den Tisch, dazu Stoffservietten und das Spitzentischtuch, das wir nur für besondere Gelegenheiten benutzten. Das Essen? Langoustines roties brunoises de papaye poivirons et signons doux – Garnelen mit Papaya, Paprika und Zwiebeln. Als Hauptgericht hatten wir Hühnchen in süßer Rotweinsoße. Dazu tranken wir ein kleines Gläschen Wein, einen köstlichen Minervois. Wir aßen mit Begeisterung.
    Aber zum Nachtisch gab es Brownies mit Eis. Schließlich war ich wieder in Amerika.
    Ich war zu Hause. Gott sei Dank!

90
    Wieder daheim! Wieder daheim!
    Am nächsten Tag ging ich nicht zur Arbeit, und die Kinder schwänzten die Schule. Alle waren höchst zufrieden, sogar Nana Mama hatte uns zum Schwänzen ermutigt. Ich rief ein paar Mal Jamilla an. Mit ihr zu sprechen, half mir – wie immer -, trotzdem schien etwas zwischen uns zu stehen.
    An unserem »Schwänztag« machte ich mit den Kindern einen Tagesausflug nach St. Michaels, Maryland, das an der Chesapeake Bay liegt. Der kleine Küstenort hatte einen ganz eigenen Charme: eine belebte Marina, mehrere kleinere Gasthäuser mit Schaukelstühlen auf der vorderen Veranda, sogar einen Leuchtturm. Im Chesapeake Bay Maritime Museum hatten wir Gelegenheit, echte Bootsbauer bei der Restaurierung eines alten Fischkutters zu beobachten. Wir hatten das Gefühl, zurück ins neunzehnte Jahrhundert versetzt zu sein. Keine unangenehme Vorstellung.
    Nach dem Lunch im Crab Claw Restaurant gingen wir an Bord eines Hochseefischkutters. Nana Mama hatte ihre Schulklassen im Laufe der Jahre oft hergebracht, doch heute hatte sie lieber daheim bleiben wollen, weil sie angeblich zu viel Arbeit im Haus habe. Ich hoffte nur, dass sie sich wirklich wohl fühlte. Jetzt erinnerte ich mich daran, was sie ihren Schülern auf diesen Ausflügen erzählt hatte. Deshalb übernahm ich heute ihre Rolle, sozusagen als Gastredner.
    Â»Jannie und Damon, das hier ist die letzte Flotte von Hochseefischereibooten, die ausschließlich von Hand betrieben werden. Kein Segelsetzen auf

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