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UND ES WAR SOMMER - Wiggs, S: UND ES WAR SOMMER

UND ES WAR SOMMER - Wiggs, S: UND ES WAR SOMMER

Titel: UND ES WAR SOMMER - Wiggs, S: UND ES WAR SOMMER Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
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den Grashalm vom Finger und ließ ihn auf den Boden fallen.
    Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander, sahen aufs Meer hinaus und lauschten dem Rauschen der Brandung. Eine Möwe landete auf dem abgebrochenen Baumstumpf und blieb auf einem Bein dort stehen.
    „Celesta’s-by-the-Sea“, sagte er schließlich, da er befürchtete, Rosa würde bald gehen, wenn er weiter nur stumm neben ihr saß. „Gefällt mir, der Name. Du hast das Lokal nach deiner Mutter benannt.“
    „Auf ihrer besonderen Art zu kochen basiert das gesamte gastronomische Konzept. Nur gut, dass sie nicht Brunhilde oder Prudence geheißen hat.“
    Er hob seine Bierdose und prostete ihr zu. „Auf Celesta.“ Er trank. Dann bemerkte er ihren skeptischen Blick. „Was ist?“
    „Es ist noch nicht mal Mittag.“
    „Müsst ihr Frauen immer auf die Uhr schauen?“
    „Wirst du jetzt sarkastisch? So kenne ich dich gar nicht.“
    „Ich habe mir meinen Sarkasmus hart erarbeitet. Aber mach dir um mich keine Sorgen, ich pflege momentan nur die Familientradition. Wenn wir Montgomerys trauern, trinken wir.“
    „Das nennst du trauern?“, fragte sie leise. „Du hast noch nicht einmal begonnen zu trauern.“ Wieder sah sie ihn mit diesem durchdringenden Blick an. In ihre dunklen Augen zu schauen war wie in einen Zauberspiegel zu gucken und eine flüchtige, beunruhigende Reflexion seines wahren Selbst zu erhaschen. Irgendwo in ihren Augen, den ehrlichsten Augen, die er kannte, lag die Wahrheit. Dort erkannte er den echten Alex, der hart geworden war. Hart und unzufrieden und unbeschreiblich enttäuscht von sich selbst. Genau dieses Bild von sich versuchte er normalerweise zu verdrängen, doch heute wurde er damit konfrontiert.
    „Es tut mir schrecklich leid wegen deiner Mutter, Alex“, sagte Rosa wieder. „Ich sehe sie noch so gut vor mir, als ihr im Sommer immer hier wart. Du warst ihr Ein und Alles.“
    Plötzlich brach der Schmerz über ihn herein. Alex hatte das Gefühl, als bohre er sich wie ein glühendes, scharfes Messer in sein Herz. Darauf war er nicht gefasst gewesen. Ja, alle Menschen sagten nur Gutes über die Verstorbenen, wenn sie ihre Anteilnahme ausdrückten, und auch Rosa hatte etwas Schönes über seine Mutter gesagt. Doch gleichzeitig hatten ihre Worte ihn erschüttert, weil sie zeigten, wie gut sie über die Mutter-Sohn-Beziehung Bescheid wusste, die seine Kindheit dominiert hatte. Er nickte, wandte den Blick ab und hoffte, sie würde das Thema wechseln. Am Horizont, wo ihm vorhin noch Himmel und Meer wie miteinander verschmolzen erschienen waren, erkannte er nun nur ein unruhig flackerndes Blau.
    „Wenn ich jetzt so zurückdenke“, fuhr Rosa fort, „ist es für ein Kind nicht leicht, für seine Mutter die ganze Welt zu sein. Aber ich glaube, das war ihr nicht bewusst. Sie wollte dich eben beschützen. Ich erinnere mich gut daran, wie besorgt sie wegen deiner Krankheit um dich war. Deine Mutter hat dich vergöttert.“
    Alex wusste, dass die Art, wie ihn seine Mutter vergöttert hatte, für ihn nichts Gutes, sondern eine Last gewesen war. Ob Rosa das auch wusste? Er starrte auf seine Hände und merkte plötzlich, dass er unbewusst die Bierdose völlig zerdrückt hatte.
    Rosa sah ebenfalls auf seine Hände. „Es ist ganz normal, dass du wütend bist.“
    Er warf die Dose in die Büsche. „Ich bin nicht wütend.“
    Sie lächelte ihn so an, als hätte es die letzten zwölf Jahre nie gegeben. „Ich bin Italienerin, schon vergessen? Ich habe keine Probleme mit Gefühlen. Je intensiver und dramatischer, desto besser.“
    Der Druck in seiner Brust ließ plötzlich nach. Er musste sich ihr gegenüber weder verstellen noch zusammenreißen. Das Gefühl der Erleichterung, ja, einer unglaublichen Befreiung war so mächtig, wie es kein Bier und kein Kinder-Aspirin – auch nicht in Kombination – je zuwege gebracht hätten.
    Von der Einfahrt war wieder das Geräusch eines Autos zu hören. Er stand auf. „Ich sollte nachsehen, wer das ist.“
    Sie stand ebenfalls auf. „Vielleicht solltest du dir ein Hemd überziehen, Alex“, schlug sie vor.
    Er legte eine Hand auf die nackte Brust. „Du hast recht.“
    „Und ich sollte jetzt besser gehen“, fügte sie hinzu.
    „Nein, geh nicht“, unterbrach er sie rasch und hielt ihr die Tür auf, die von der Veranda in die Küche führte. „Bitte bleib.“
    Rosa zögerte einen Moment, doch dann ging sie ins Haus. Alex konnte ihren Gesichtsausdruck zwar nicht recht deuten, doch dafür war ihm

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