Und ewig seid ihr mein
zurückgeschlagen, meldete der Computer einen eingehenden Anruf. Er blickte hinüber zum Monitor. Keine Anruferkennung. Vielleicht Anubis.
Er bestätigte und drückte zugleich die Aufnahmetaste, um das Gespräch aufzuzeichnen.
«Levy.»
Er war es. «Ich hoffe, es ist noch nicht zu spät.»
«Kommt darauf an, was Sie mir zu sagen haben. Für Rätselraten bin ich heute nicht mehr zu haben.»
Anubis akzeptierte das. «Dann lassen Sie mich Ihnen eine Geschichte erzählen. Sie brauchen nichts weiter zu tun, als zuzuhören.»
«Okay, ich höre. Ich hoffe nur, dass sie von Bedeutung ist.»
«Ich werde Sie nicht enttäuschen.
Es ist die Geschichte eines Jungen, der sich nichts mehr wünschte als sein Recht, das ihm genommen worden war.
Es geschah auf einer Insel vor vielen Jahren. Die Familie, die er liebte, hatte sich für ein Wochenende ein Strandhaus gemietet, um den Hochzeitstag zu feiern. Gekommen warenauch die engsten Verwandten, Onkeln, Tanten, Cousins und Cousinen …»
Levy war trotz der Erschöpfung nun hellwach. Wenn diese Psychopathen bei Adam und Eva begannen, anstatt gleich auf den Punkt zu kommen, steckte dahinter in den meisten Fällen eine wichtige Hintergrundinformation oder sogar ein Trauma, das ihr Handeln erklären konnte.
Anubis entging Levys Gespanntheit nicht. «Gedulden Sie sich ein wenig. Ich weiß, es ist spät, aber es lohnt sich.»
«Entschuldigung.»
«Zufälligerweise war der Hochzeitstag der Eltern der Tag vor seinem zwölften Geburtstag. Ein sehr wichtiger Tag, denn in dieser Nacht sollte er in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen werden. Es sollte also sein Tag werden, der Tag, den er so lange herbeigesehnt hatte.
Ohne Murren hatte der Junge den ganzen Tag gearbeitet, um das Familienfest vorzubereiten. Das mitgebrachte Essen musste er aus dem Haus nach draußen bringen, Bänke und Tische aufstellen und der Mutter zur Hand gehen. Sein kleiner Bruder … Entschuldigung, fast hätte ich ihn vergessen. Dabei spielte er eine wichtige Rolle in dieser Nacht, eine entscheidende sogar.
Der kleine Bruder wurde im Gegensatz zu dem großen von Arm zu Arm gereicht, während die Verwandten eintrafen. Er war der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, alle erfreuten sich an ihm. Den älteren jedoch bemerkte man nicht; seit den fast zwölf Jahren seines jungen Lebens. Obwohl er immer dabei war, nahm man ihn nicht wahr, überging ihn zugunsten des jüngeren.
Doch an diesem Abend hatte ihm der Vater versprochen, das große Lagerfeuer anzünden zu dürfen. Der Junge hatte den Scheiterhaufen eigenhändig dafür aufgebaut.
Das war eine große Ehre, denn in all den Jahren zuvordurfte nur der Vater das Streichholz an die Scheite führen. Für den Jungen war es das Zeichen, dass er endlich erwachsen wurde, sich zum Kreis der Großen zählen durfte. Die Flamme wurde vom Vater an den Sohn weitergegeben.
Der kleine Bruder würde sein ganzes Leben vergebens darauf warten. Es gab eindeutige Gesetze der Rangfolge. Da konnten sie den Kleinen noch so lange knuddeln, während der Ältere vergessen für ihre Bequemlichkeit sorgte.»
Etwas an den Ausführungen Anubis’ ließ Levy aufhorchen. Er wusste nicht genau, was es war, ein Satz, ein Wort, eine Situation oder eine Beschreibung.
Anubis sprach weiter. «Das Strandhaus, das die Eltern für die Feier gemietet hatten, lag hinter einer flachen Düne, wo man das Meer noch gut sehen konnte. Es war eines dieser kleinen, schnell errichteten Häuschen aus billigem Holz, das Wochenendausflüglern und Touristen einen bescheidenen Komfort, aber einen grandiosen Blick aufs Meer schenkte. Eine Hand voll Strandkioske und ein kleiner Supermarkt reihten sich an diesem langen Strand auf. Sie waren bis zum Einbruch der Dunkelheit geöffnet, um den Gästen auch noch spät eine Einkaufsmöglichkeit zu bieten.
Inzwischen neigte sich der Tag dem Ende zu. Am Horizont wechselte die Sonne in ein überwältigendes Rot. Nur noch eine halbe Stunde würde es dauern, bis sie im Meer versank.
Der Junge zählte die Minuten. Die Streichholzschachtel trug er seit dem Morgen in der Hosentasche mit sich herum.
Niemand sollte ihm zuvorkommen …»
«Ich nehme an», unterbrach Levy unüberlegt, «es geschah dann doch.»
«Das erzähle ich Ihnen beim nächsten Mal. Für heute soll es genügen.»
«Einen Moment», protestierte Levy, «für dieses Bruchstück haben Sie mich doch nicht die ganze Zeit vom Schlafen abgehalten.»
Anubis schwieg eine Weile, dann antwortete er: «Nun gut,
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