Und ewig währt die Hölle (German Edition)
Gordon Lykke hob den Blick von einem der unzähligen Plastikhefter, die sich auf seinem Schreibtisch stapelten. Der Mann in der Tür war in Uniform, er kannte ihn nicht. Sein Gesicht ist faltig wie das eines Siebzigjährigen oder eines Fünfzigjährigen, der seit der Konfirmation sechzig Zigaretten am Tag geraucht hat, dachte Lykke und stand auf.
«Ja?»
«Mein Name ist Sandø, von der Einsatzzentrale.»
Der Mann streckte ihm einen knochendürren Arm entgegen. «Sie leiten die Ermittlungen im Fall Tøyengata 21?»
«Richtig.» Lykkes Geduld war bereits am Ende. Er hasste umständliche Einleitungen.
«Ich hatte gestern Telefondienst», fuhr Sandø fort. «Und als ich heute Morgen von dem Mord an der Frau hörte, fiel mir ein Anruf ein, der gestern Abend hereinkam. Das war um 19.03 Uhr, ich hatte es im Wachjournal vermerkt …»
«Aha.» Lykke registrierte einen Senffleck am Saum der Uniformjacke.
«Ich habe mich bei Telenor erkundigt. Der Anruf kam von einem Mobiltelefon, das auf diese Adresse registriert ist.»
«Tøyengata 21?»
«Genau.»
Lykke trat hinter seinem Schreibtisch hervor.
«Wissen Sie, wer angerufen hat?»
«Eine Frau mit einem leichten Akzent. Sie wirkte ängstlich.»
«Was hat sie gesagt?»
«Ach, nicht viel, nur dass sie irgendwas gesehen hätte und es melden wollte … Aber dann wurde sie unterbrochen.»
«Woher wissen Sie das?»
Sandø straffte die Schultern in der Uniform.
«Ich hörte, wie ein Kind im Hintergrund etwas von ‹Papa› sagte.»
«Und da hat sie aufgelegt?»
«Ja.»
«Wurde das aufgezeichnet?»
«Nein. Aufgezeichnet werden nur Notrufe.»
Lykke legte den Kopf in den Nacken und starrte an die Zimmerdecke.
Sandø hatte sich umgedreht und stand abwartend in der Tür. «Ja, ich dachte nur, das könnte vielleicht interessant sein …»
«Danke, gute Arbeit. Würden Sie mir einen Gefallen tun?»
«Natürlich.» Der Polizist blinzelte überrascht.
«Können Sie bei Telenor in Erfahrung bringen, welche anderen Nummern die Frau in den letzten Tagen angerufen hat und von welchen Nummern sie angerufen wurde?»
«Mache ich sofort.»
«Vielen Dank, ich halte Sie auf dem Laufenden», log Lykke und schloss die Tür leise hinter den zerknitterten Uniformbeinen.
Dann setzte er sich wieder auf seinen Stuhl, zog den Notizblock aus der abgeschabten Ledertasche und begann, kleine Kästchen zu malen. Sie hat den Täter gekannt, dachte er.
Parisa Sadegh schnappte sich den neuen Notizblock vom Beifahrersitz und stellte aufseufzend fest, dass er schon fast voll war. Hatten sie überhaupt etwas? Am Anfang einer Ermittlung bewegten sie sich immer eher seitwärts als vorwärts. Das stellte ihre Geduld jedes Mal auf eine harte Probe.
«Pepper & Salt» stand mit riesigen Buchstaben an der orangefarbenen Wand hinter dem schlichten Empfangstresen. Der Kontrast zur Jugendfürsorge in Løren hätte kaum größer sein können. Glas, Stahl und jede Menge TV-Monitore an der Decke. Das Mädchen am Empfang war höchstens fünfundzwanzig und trug eine rote Kappe über ihrem langen, blondierten Haar.
«Kann ich dir helfen?», fragte sie mit unverkennbar schwedischem Akzent.
Parisa lächelte.
«Ich bin mit Catrine Wennersten verabredet.»
«Oh, du bist auch Schwedin, wie lustig.» Sie schenkte Parisa ein weißes Zahnpastalächeln. «Nur einen kleinen Moment. Kaffee?»
Parisa zögerte kurz.
«Gern, danke.»
«Espresso, Latte oder Americano?»
«Latte wäre prima.»
«Kleinen Moment», wiederholte sie und wählte eine interne Nummer. «Besuch für dich, soll ich dir auch einen Latte machen?»
Sie lächelte. «Setz dich doch», sagte sie und verschwand durch eine Tür hinter der Rezeption. Parisa setzte sich auf ein weißes Designersofa. Um sie herum eilten junge Männer und Frauen in atemberaubendem Tempo vorbei, genau wie bei The West Wing . Ganz gleich, wann sie die amerikanische TV-Serie auch einschaltete, immer gingen oder liefen die Leute, während sie sich unterhielten. Sie hatte gedacht, so was gäbe es nur im Film.
«Drei Minuten, dann ist sie so weit.»
Ein Mann in den Dreißigern mit Kapuzenshirt und Baggy Pants stürmte mit einem Stapel Pappen unter dem Arm vorbei. Das Mädchen bemerkte Parisas Blick.
«Du musst entschuldigen, alle sind furchtbar gestresst. Heute ist Abgabetermin für Stella.»
«Aha. Was ist das?»
«Stella ist ein Kreativwettbewerb der Werbebranche. Wir sind ein bisschen spät dran, was das Ausfüllen von Formularen und so angeht. Irgendwer hat wohl
Weitere Kostenlose Bücher