Und Finsternis wird kommen
angesehen, als ob er Sie umbringen wolle.«
Theremon verzog die Lippen.
»Ich habe den alten Burschen ganz vergessen.« Vorsichtig entfernte er seinen Stuhl vom Fenster, warf einen verdrießlichen Blick über die Schulter und sagte: »Ich habe da so eine Idee, daß man sich gegen den Sternenwahnsinn irgendwie immun manchen könnte.«
Der Psychologe antwortete nicht sofort. Beta hatte den Zenit nun überschritten, und das Quadrat aus blutigrotem Sonnenlicht, das das Fenster auf den Boden gezeichnet hatte, war jetzt in Sheerins Schoß gewandert. Gedankenvoll starrte er auf die trübe Farbe des Lichtvierecks, dann beugte er sich vor und blinzelte zur Sonne hinauf.
Die schwarze Kerbe auf der einen Seite von Beta nahm bereits ein Drittel der Gesamtfläche der Sonne ein. Er schauderte, und als er sich wieder aufrichtete, hatten seine dicken Wangen ihre blühende Farbe verloren.
Mit entschuldigendem Lächeln entfernte er seinen Sessel ebenfalls vom Fenster.
»Wahrscheinlich versuchen jetzt zwei Millionen Bewohner von Saro City verzweifelt, in einer gigantischen Wiederbelebungsaktion, ihre verschütteten kultistischen Gefühle zu wecken.« Dann setzte er ironisch hinzu: »Der Kult erlebt jetzt eine Stunde lang eine beispiellose Blütezeit. Nun, wovon sprachen Sie vorhin?«
»Ich meine, wie konnten die Kultisten ihr Buch der Offenbarung über mehrere Zyklen hinweg erhalten? Es muß doch irgendeine Art von Immunität geben, denn wenn jeder dem Wahnsinn verfällt, wer schreibt dann das Buch im nächsten Zyklus von neuem nieder?«
Sheerin blickte seinen Gesprächspartner bedauernd an.
»Nun, junger Mann, es gibt keinen Augenzeugen, der diese Frage beantworten könnte. Aber wir haben ein paar verdammt gute Vorstellungen, wie das vor sich gehen mag. Es gibt drei Arten von Menschen, die die Dunkelheit relativ unbeschadet überstehen. Zuerst einmal die wenigen, die die Sterne überhaupt nicht zu Gesicht bekommen: sie verstecken sich oder trinken sich zu Beginn der Finsternis einen Rausch an, so daß sie bis zum Ende im Stumpfsinn dahindämmern. Diese Leute können wir ausschalten, denn das sind keine wirklichen Zeugen.
Dann sind da die Kinder unter sechs Jahren, für die die Welt als Ganzes zu neu und fremd ist, als daß die Dunkelheit und die Sterne sie ernstlich erschrecken könnten. Für die Kinder bedeuten diese Phänomene nur neue Beobachtungen in einer Welt, die voller Überraschungen steckt. Verstehen Sie?«
Der andere nickte skeptisch.
»Ich glaube, ja.«
»Drittens gibt es Menschen, deren Geist zu grobkörnig ist, um sich restlos zu verwirren. Die Unempfindlichen werden kaum vom Wahnsinn befallen. Das sind Menschen wie die arbeitsgebeugten Bauern früherer Zeiten. Nun, die Kinder haben flüchtige Erinnerungen, und wenn man diese mit dem verwirrten, unzusammenhängenden Geschwätz halbirrer Schwachköpfe kombiniert, hat man die neue Grundlage des Buches der Offenbarung.
Man baut das Buch also in erster Linie auf den Aussagen der Menschen auf, die sich am wenigsten als Berichterstatter eignen: Kinder und Schwachsinnige. Wahrscheinlich hat das Buch der Offenbarung im Lauf der Zyklen einige Veränderungen erfahren.«
»Glauben Sie«, unterbrach ihn Theremon, »daß die Kultisten das Buch durch die Zyklen hindurch auf ähnliche Weise überliefert haben wie wir unsere Beobachtungen um das Geheimnis der Schwerkraft?«
Sheerin zuckte mit den Schultern.
»Kann sein. Aber ihre genaue Methode spielt keine Rolle. Irgendwie bewerkstelligen sie die Sache. Was ich sagen möchte, ist, daß das Buch gar nichts anderes sein kann als ein wildes, verdrehtes Durcheinander, wenn es auch auf Tatsachen basiert. Können Sie sich zum Beispiel an Yimots und Faros Experiment mit den Löchern im Dach erinnern, das nicht funktioniert hat?«
»Ja.«
»Wissen Sie, warum es nicht …« Er brach ab und sprang alarmiert auf. Aton näherte sich. Sein Gesicht wai eine verzerrte Maske äußerster Bestürzung. »Was ist geschehen?«
Aton zog ihn beiseite, und Sheerin fühlte, wie sich die Finger des Direktors in seinen Ellbogen preßten.
»Nicht so laut.« Atons Stimme klang gequält. »Ich habe gerade durch meinen privaten Telefonanschluß eine Nachricht aus dem Schutzbunker erhalten …«
Sheerin unterbrach ihn ängstlich.
»Haben sie Schwierigkeiten?«
»Sie nicht«, erwiderte Aton mit deutlicher Betonung. »Sie haben sich schon vor geraumer Zeit eingeschlossen und kommen erst übermorgen wieder heraus. Sie sind sicher. Aber die Stadt,
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