Und Freunde werden wir doch
immer noch ein Bierchen dazu. Viel zu spät kamen sie zu Hause an. Salvador hatte eine ausgeprägte Fahne, dafür aber nur mehr wenig Geld in der Tasche. Marie starrte ihren Mann entsetzt an, Patricio rannte wutentbrannt aus der Wohnung, und Felipe jammerte: »Warum habt ihr mich nicht mitgenommen?«
Seit diesen Freitagen, an denen es regelmäßig noch schlimmen Krach gab, paßt Ronni auf. Schließlich ist es seine Aufgabe, den Vater nüchtern und das verdiente Geld vollständig nach Hause zu bringen.
Ronni hält seinen Vater nicht für einen richtigen Alkoholiker, aber er hat schon bemerkt, daß das Bier ihn verändert. Und merkwürdigerweise ist ihm der Vater noch am wenigsten fremd, wenn er getrunken hat. Aber Ronni ist alt genug, um zu sehen, daß dies keine Lösung ist, zumal sich die finanzielle Situation dadurch noch verschärft. Indern Salvador trinkt, zerstört er Maries letzte Hoffnung: daß sie mit etwas gespartem Geld einmal in Chile neu anfangen können.
Anscheinend hat der sture Blick aus dem Fenster geholfen. Die nächste Haltestelle ist schon der Harras, und Salvador hat keinerlei Anstalten gemacht, vorher auszusteigen. Ronni atmet erleichtert auf. Nun versucht er, möglichst ungezwungen ein Gespräch zu beginnen. Aber ihm fällt nichts ein. Je mehr er sich anstrengt, sich seinem Vater gegenüber natürlich zu benehmen, desto verkrampfter wird er. Schließlich sagt er genau das Falsche: »Hast du eigentlich vorhin dieses Schild gesehen? Da steht groß und deutlich: Asylant, schleich dich!«
12
Am Samstag, pünktlich um vier, steht Hanna bei Sandra vor der Tür. Nachdem sie einige höfliche Worte mit Herrn und Frau Körner gewechselt hat, lotst sie Sandra aus der elterlichen Umzingelung heraus:
»Wir gehen etwas spazieren, es ist so schön draußen.« Und schon laufen die beiden die Treppe hinunter. Die ersten hundert Meter tun sie nichts weiter, als ununterbrochen zu kichern, sie wissen selbst nicht, warum. »Na, macht dein Spanisch schon Fortschritte?« prustet Hanna heraus. »Oh, oui, oui, ich meine, si, si«, antwortet Sandra, und da wird ihr auf einmal bewußt, daß ihr eigentlich nicht mehr zum Kichern zumute ist. Heute nacht konnte sie vor lauter Aufregung kaum schlafen, doch jetzt gewinnt die Angst Oberhand. Was, wenn Ronni kommt und losschimpft: »Ihr blöden Ziegen, was wollt ihr hier?«
Sandra schluckt. Es schien ihr eine gute Idee zu sein, mit Hannas Verstärkung bei Alberto aufzukreuzen, aber jetzt ist sie sich da nicht mehr so sicher. Ronni wird sie sofort durchschauen, und dann ist alles nur noch schlimmer.
Unwillkürlich geht Sandra immer langsamer, bis Hanna sie in die Seite knufft und fragt: »Was ist los, du Schnecke?«
»Hanna, was wollen wir eigentlich sagen, warum wir gekommen sind, wenn zum Beispiel auch Ronni da sitzt?«
Hanna hat da keinerlei Probleme. »Wie bitte? Wir können doch wohl eine Limo trinken, wo es uns paßt, oder?« Energisch packt sie ihre Freundin am Arm: »Du mußt mir jetzt nur noch sagen, wo es langgeht.«
Sandra beschreibt Hanna den Weg, so daß ein Rückzieher nicht mehr möglich ist.
»Ronni kann ja ganz schön bissig sein, findest du nicht auch?« Hanna sieht Sandra von der Seite an.
»Ja, leider.«
»Komm, das macht uns doch nichts aus. Wir überrumpeln den mit unserer unglaublichen Freundlichkeit.« Hanna setzt das auf, was sie selbst als ihr »teures Zahnpasta-Werbe-Lächeln« bezeichnet. Sandra nickt gezwungen und geht schweigend weiter.
Ihre Freundin treibt sie an: »Komm, ich muß dir noch was erzählen! Gestern abend habe ich wieder mit Jens telefoniert...«
Doch die erhoffte Wirkung bleibt aus. Was Hanna als Aufmunterung gedacht hat, versetzt Sandra einen Stich. Sie bleibt stehen: »Ja, und wie war’s?«
Hanna zieht ihre Freundin weiter. Sie redet und redet, bis sie vor der Tür von Albertos Café stehen. Inzwischen ist Sandra schlecht, und sie versucht Hanna klarzumachen, daß sie doch nicht hineingehen möchte. Aber Hanna ist neugierig auf das Café: »Och, ich habe mich so gefreut! Komm doch, bitte!«
Also öffnet Sandra zaghaft die Tür und sieht sich um: Ronni ist nicht da, ein Glück! Hanna steuert auf einen Tisch an der Wand zu und läßt sich zufrieden auf den harten Stuhl fallen. Sandra lächelt unsicher zu Alberto hinüber, der schon auf die beiden zugeht. Er läßt es sich nicht nehmen, die jungen Damen mit einem italienischen Redeschwall willkommen zu heißen, um dann zu fragen: »Was darf s sein?«
Die
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