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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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fuhr Arno ihm über den Mund – unendlich erleichtert registrierte er, dass Wortwahl und Tonfall seine gewohnte Autorität enthielten, sodass er in normaler Lautstärke hatte sprechen können. „Und am Samstag wirst du dich in aller Form bei Mathilda entschuldigen, dafür, dass du sie belästigt – und ihre Angst vor dem Finsteren Gang nun vervielfacht hast.“
    Noch nicht fähig, sich zu rühren, starrte Arno dem in Richtung Männerkonvent davonrennenden Georg nach. Der aufgestaute Atemzug entwich in einem Schwall.
    Was war das eben gewesen? Was hatte er getan? Sein Experiment vereitelt? Welches sich so hoffnungsvoll zu entwickeln versprach?
    Aber ich kann doch nicht tatenlos zusehen, wie die beiden ...
    Genau das war jedoch der Plan gewesen. Alles geschehen zu lassen, ohne einzugreifen. Und damit zu beweisen, dass Arnos Vorhersage sich bewahrheiten würde.
    Und eben hatte er die Nerven verloren. Weil – sein männliches Objekt das tat, was es tun sollte?
    Er rieb sich die Wangen. Dieses Mädchen machte ihn wahnsinnig. Unzurechnungsfähig, jähzornig, dämlich! Was war es nur, was ihn so sein ließ, so ...?
    Seine Beine hatten sich von allein in Bewegung gesetzt und trugen ihn zurück zum Konvent. Das Essen würde fast zu Ende sein, aber Hunger hatte er ohnehin keinen.
    Gleich im Kapitel würde er wieder einmal darauf hinweisen, dass Besucher der Bibliothek und des Skriptoriums das Gebäude ausschließlich nach links, Richtung Haupttor des Konvents, zu verlassen hätten. Wo würden sie da hinkommen, wenn sich Nonnen und Mönche ausgerechnet im Finsteren Gang ...? Arno beschleunigte seine Schritte.

Freitag, 28. Oktober 1521
    Wo alles enden wird ...
     
    Es weiß niemand, was die heimliche Beichte vermag, denn der mit dem Teufel oft kämpfen und fechten muß. Ich wäre längst von dem Teufel überwunden und erwürget worden, wenn mich diese Beichte nicht erhalten hätte. Sie ist ein trefflich Ding, welch ich von meinetwegen nicht um die ganze Welt entbehren möcht.
    Martin Luther
     
     
    Arno schloss die Augen – und damit auch das mittlerweile nur noch plänkelnde Gespräch zwischen Hofbruder, Prior und Äbtissin aus seinem Kopf aus – und konzentrierte sich darauf, den in seiner Brust aufgestauten Atem lautlos abzuleiten. Konnte nichts dagegen tun, dass er sogleich wieder nach Luft schnappte. Auf diese Weise würde er den Krampf nicht loswerden.
    Ich muss Euch leider mitteilen, dass ein ernstes Problem aufgetreten ist, was die gegenwärtige Unterrichtssituation betrifft, dozierte seine innere Stimme ungerührt. Der Novize Georg Flüger hat Schwester Mathilda gestern im Finsteren Gang aufgelauert. Könnt Ihr verantworten, dass es weitere Zwischenfälle in dieser Richtung geben wird?  
    Er stöhnte erneut – diesmal nicht wirklich lautlos.
    Los. Sag es. Es ist doch so einfach. Ein paar Sätze, ein paar Ereiferungen – und die Episode Mathilda Finkenschlagin wird ein für allemal ein Ende haben!  
    Ihre Bildung. Die würde ein Ende haben. Und das nicht etwa, weil sie selbst sich etwas hätte zuschulden kommen lassen. Sondern einzig und allein deswegen, weil einer der Männer mit der Situation nicht umgehen konnte! Könnte Arno das wirklich verantworten?
    Ach? Und stattdessen kannst du verantworten, dass sie mit Georg durchbrennt? Ja?
    Arno biss die Lippen aufeinander. Genau das war doch sein Plan. Wo also war das Problem? Es gab kein Problem! Wie es weitergehen musste, war klar.
    Immerhin ginge es nicht nur um das Ende des Unterrichts. Sondern auch um Arnos Einfluss auf ihr Schicksal unter den Nonnen. Sie würden sie im Frauenkonvent unter Verschluss halten, und er würde nichts mehr über sie hören – geschweige denn, eingreifen können, um sie zu schützen. Und das tat er, da hatte Georg sehr recht gehabt. Das musste er tun!
    Die Frage war nur, warum seine Gedanken noch immer durcheinander ratterten und er hier auf Kohlen saß – anstatt sich entspannt zurückzulehnen und das Ende der Morgenbesprechung abzuwarten.
    „Ich habe gehört, dass Ihr gestern endlich das neue Grab habt ausheben lassen“, wandte sich die Örtlerin in diesem Moment mit ihrer abschließenden Stimme an den Hofbruder, der seinerseits seine Mappe schon zugeklappt hatte.  
    In der tiefstehenden Morgensonne erzeugte das Klausurgitter einen Schattenbalken auf ihrem Gesicht, genau in der Mitte, wie eine Verlängerung des Kreuzes in ihrer Krone. Sie hatte die Macht hier im Kloster. Und wenn diese auch dadurch gebrochen war, dass sie

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