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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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Der hatte einen Schritt auf den Jungen zu gemacht. Wart Ihr verabredet? So weit waren die beiden noch nicht, ausgeschlossen, er hatte sie doch am Nachmittag beobachtet, gestern, die ganze Zeit.  
    „Ich wollte sie nur beschützen.“
    „Ihr wolltet sie beschützen, indem Ihr sie in eine sündige Lage brachtet? Habt Ihr sie auch vom Gottesdienst ferngehalten? Habt Ihr sie ...?“
    Mit einem Ruck hatte sich Georg seitlich weggeduckt. Entgeistert starrte Arno auf seine eigene Hand, auf dem Weg dorthin, wo sich noch eine Sekunde zuvor die Gurgel des Jungen befunden hatte. Hastig stoppte er sie, ließ sie sinken, die Finger ausschüttelnd, als könnte er auf diese Weise seine Selbstkontrolle zurückerlangen.
    Er musste sich ganz dringend zusammenreißen. Konnte von Glück sagen, dass das schlechte Gewissen seines Schülers so groß war, dass diesem nicht aufgefallen sein dürfte, wie seltsam sein Lehrer sich benahm. Er presste die Lippen aufeinander.
    Der Junge sprach ganz leise. „Sie hat Angst vor dem Finsteren Gang.“
    „Was?“ Arno musste sich ihm nähern, um ihn zu verstehen. „Was habt Ihr gesagt?“
    Nun war er wieder zu nah. Georg stumm vor Anspannung. So würde Arno keine Antwort aus ihm herausbekommen. Mit einem ruhigen, tiefen Atemzug richtete er sich gerade auf und trat einen Schritt zurück.
    Georgs Miene wurde ein wenig leichter. „Ich wollte sie nur hindurchgeleiten, das ist alles“, beteuerte er, sein Tonfall allerdings noch reichlich verkrampft. „So wahr mir Gott helfe, ich versichere Euch, Pater Arno, ich hatte keine sündhaften Absichten, ich habe sie nicht berührt, ich habe nichts gesagt, ich habe ihr nichts getan, ich schwöre.“
    „Du wolltest eine Nonne durch den Finstere Gang geleiten?“
    „Sie – Mathilda.“
    Keine Nonne. Sondern Mathilda. Beinahe hätte Arno laut gelacht. War es nicht großartig, wie prächtig sein Experiment angelaufen war?  
    „Macht Euch nichts vor, Georg“, konfrontierte er ihn. „Und vor allem nicht mir. Ihr seid Mönch – und Mathilda eine Braut Christi.“ Er konzentrierte sich darauf, seinem Novizen geradewegs in die Augen zu sehen. „Es ist nicht Eure Aufgabe, den Ritter zu spielen und sie zu beschützen. Und wenn Ihr Euch das einredet, dann liegen verborgene Motive darunter. Sündige Motive.“
    Diesmal war Georg nicht in sich zusammengesackt. Diesmal war er aufrecht stehengeblieben, seine Stimme von Leidenschaft getragen. „Aber Ihr habt ihr auch zu essen gegeben“, begehrte er auf. „Auch habt Ihr Wasser geholt. Auch Ihr wollt sie ...“
    Erst jetzt gelang es Arno, den quer in seiner Kehle sitzenden Atemzug auszuhusten, um losschreien zu können: „SCHWEIGT. Was fällt Euch ein, mir hier zu unterstellen ...?“
    „Ihr beschützt sie doch auch, Pater Arno.“
    Arno hustete.
    „Dort drüben wird sie schlecht behandelt, und wir können uns um sie kümmern, damit es ihr wenigstens ein bisschen besser geht. Da ist doch nichts dabei, Pater Arno, das ist doch keine Sünde.“
    „Schwester Mathilda ist eine Nonne, und sie soll unter ihresgleichen leben“, stellte Arno richtig. „Dass sie Umgang mit uns Mönchen hat, ist eine Ausnahme. Die sich auf keinen Fall zu ihrem Nachteil auswirken darf.“
    „Ich wollte ihr doch nichts Böses, bitte glaubt mir.“ Nun flehte der junge Mann wieder, mit erbärmlich um Vergebung heischender Stimme.
    „Was habt Ihr mit ihr getan?“ Das musste Arno fragen, er musste wissen, wie schlimm es um seine beiden Schüler bestellt war, damit er gegebenenfalls einschreiten konnte. Warum nur, warum, um Gottes Willen, war er nicht imstande, jetzt gleich die Beichte abzunehmen?
    „Ich habe sie nur erschreckt“, gab der Junge kleinlaut zu. „Ich ... Auf einmal kam es mir dumm vor, ich wollte nicht, dass sie mich sähe, wollte mich verstecken – aber da war es schon zu spät, sie war schon direkt vor dem Eingang – und dann dachte ich, ich verstecke mich halt drinnen, es ist wirklich stockdunkel in diesem Gang. Ich konnte doch nicht ahnen, dass sie die Hand ausstrecken würde und ...“
    „Sie hat WAS?“
    „Sie hat mich gefasst – und hat sich ganz fürchterlich erschrocken.“
    Arno stöhnte gequält auf. „Sie wird einen Herzanfall erlitten haben!“
    „Sie ist weggerannt. Unglaublich schnell. Nein, ihr Herz muss gut gearbeitet haben.“
    Georgs Stimmung fehlte es ganz gehörig an Reue.
    „Du gehst in deine Zelle und kümmerst dich um deine sündhaften Gedanken, damit du sie morgen beichten kannst“,

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