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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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allerdings eine sehr sonderbare Idee.“ Arno hatte seine Stirn gerunzelt.
    Heussgen lachte. „Ebenso habe ich meine Schrift genannt: 'Eine sonderbare Darlegung, dass die Beicht nicht beschwerlich sei'.“
    „Naja – gerade das Kriterium der Beschwerlichkeit heranzuziehen ...?“ Arno wiegte den Kopf. „Außerdem wage ich zu bezweifeln, dass insbesondere die einfachen Leute es ohne Beichte weniger beschwerlich hätten.“
    „Ich will nicht die Beichte abschaffen“, gab Heussgen zu bedenken. „Ich bin nur davon überzeugt, dass ein jeder Christ direkt vor Gott treten kann.“
    „Auch, was das betrifft, bin ich eher skeptisch.“
    „Meinst du nicht, dass jeder Mensch, der beten kann, auch ein Beichtgespräch mit Gott regeln könnte?“
    „Na ja“, Arno hatte unwillkürlich genickt. Und trotzdem hatte er Einwände. „Mein Eindruck ist schon der, dass die meisten Gläubigen, die zu mir in die Beichte kommen – und da gibt es keinen Unterschied zwischen Ordensleuten und der Gemeinde – es durchaus zu schätzen wissen, dass sie auf mich als Vermittler zurückgreifen können. Der sie, nun ja, darin unterstützt, sich ihrer Sünde zu stellen.“
    „Du sprichst von der Seelsorge“, nickte Heussgen zustimmend.
    „Ja. Ich habe mich bei der Beichte sehr selten überflüssig gefühlt“, präzisierte Arno. „Höchstens in Fällen“, wie Schwester Schönratin , „in denen der Beichtende nichts ihn wirklich Bedrückendes zu beichten hat.“  
    „Ich bestreite nicht, dass Gespräche, Begleitung, Unterstützung, Trost oder gar Ratschläge essentiell notwendig sind in der Arbeit eines Priesters.“ Heussgen machte eine versöhnliche Geste. „Aber wäre es nicht möglich, diese Seelsorge von der Beichte abzukoppeln? Der Sünder sucht sich die Hilfe, die er sich von seinem Priester wünscht – und beichtet anschließend allein zu Gott.“  
    „Hmm.“ Wo liegt der Unterschied?, sollte Arno nun wohl nicht fragen müssen, oder?  
    Heussgen lieferte die Antwort glücklicherweise von allein: „Auf diese Weise behält der Sünder die Verantwortung für sich – und für seine Verfehlungen. Anstatt – wie es meiner Meinung nach viele zu handhaben pflegen – die Eigenverantwortung an den Priester abzugeben.“ Er verlieh seiner Stimme einen sorglosen, fast naiv-unverschämten Ton. „'Ich sündige, ich beichte, ich bekomme eine Buße auferlegt – und bin davon freigesprochen, der Priester hat es ja gesagt, der regelt es jetzt für mich und meine Seele. Wenn ich reich genug bin, kaufe ich mir zusätzlich noch einen Sündenerlass – und lebe ansonsten sorglos weiter bis zur nächsten Beichte. Ohne mich bessern zu müssen.'“
    „Ist das nicht ein wenig sehr zynisch, Heussgen? Meiner Erfahrung nach trifft das auf die allermeisten meiner Beichtenden nicht zu.“
    „Du darfst nicht vergessen, dass du vor allem mit Ordensleuten arbeitest. Die sich definitionsgemäß um ein gottesfürchtiges Leben bemühen“, relativierte Heussgen. „Die sind es gewohnt, ihren Glauben und ihre Beziehung zu Gott in von außen diktierten Strukturen zu leben.“
    „Naja, in dem Punkt hast du recht. Hier – und vor allem drüben im Frauenkonvent – wird eigenständiges Denken nicht gern gesehen“, gab Arno zu.
    „Wieder eine meiner Fragen“, bekräftigte Heussgen und klopfte mit beiden Händen auf seine Oberschenkel. „Ist die Lebensform, die in einem Kloster vorgegeben ist, die optimale, um Glauben zu leben? Gott zu dienen? – Oder, noch drastischer ausgedrückt: Will Gott Diener, die sich selbst aufgeben und bedingungslos unterordnen unter Regeln, die von Menschen gemacht sind – und zu Gottes Willen erklärt werden?“
    „Heussgen, du stellst schon wieder alles infrage!“
    „Ja, das tue ich.“ Die Leidenschaft hatte ihn aufspringen lassen, einen Schritt zum Fenster machen, sich umwenden, Arno streng mustern. „Aber ist es nicht so, dass die Kirche, so wie sie sich dieser Tage gibt, genau das extrem nötig hat?“
    Arno lächelte schief. „Mit der Einschränkung, dass es gleich zu Tertia läuten wird und ich danach – von meiner Sünde befreit – hinter dem Beichtgitter sitzen muss.“ Und ich mir bisher noch keinen einzigen Gedanken machen konnte, wie mir gelingen soll, mit Mathilda heute ein normales Beichtgespräch zuwege zu bringen.  
    Heussgen kam schuldbewusst sofort an seinen Platz zurück. „Wir waren bei der Frage, ob es Gott recht sei, wenn du bei mir, dessen Exkommunizierung garantiert bereits

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