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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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weil er ihr helfen wollte, sich besser zu fühlen, ein besserer Mensch zu werden. Aber das tue ich – und nicht Gott.  
    Wäre es nicht besser, diese Frau allein vor Gott treten zu lassen? Damit sie mit Ihm selbst klären könnte, was Sünde war und ob und wie sie die sühnen konnte?
    Aber das war ihren Bedürfnissen entgegengerichtet. Sie wollte all ihre Last abladen, die Eigenverantwortung, von der Heussgen gesprochen hatte, abgeben – aber das konnte sie doch nur bei einem Menschen, oder?
    „Das letzte Mal habe ich nur Rosenkränze beten müssen, aber das hat nicht geholfen, die bete ich doch ohnehin immerzu.“
    Das war Palgmacher gewesen. Der nicht sehr phantasievolle Bußen ersann.
    Ja! War das letztlich nicht der Beweis, dass Luthers Ansicht die einzig mögliche war? Jeder Pater hatte sein eigenes Maß. Weit entfernt von absoluter, göttlicher Wahrheit.
    „Ich brauche eine echte Strafe, eine abschreckende, eine, die so schlimm ist, dass ich sie vermeiden will.“
    „Habt Ihr Euch sündigen Handlungen hingegeben, Elisabeth?“, unterbrach er sie von Neuem.
    Dessen vergewisserte er sich nicht zum ersten Mal, er kannte ihre Antwort, aber ihm die wieder und wieder zu geben, tat ihr gut. Und eben diese Antwort allein zu finden, wäre sie wahrscheinlich nicht in der Lage – ohne Arnos Hilfe.
    „Nein“, beteuerte sie auch sofort. „Wir haben nichts Sündhaftes getan, uns nur an den Händen gehalten, das schwöre ich auf die Bibel.“
    „Dann existiert Eure Sünde nur angesichts Eures Gelübdes – und im Rahmen der Klosterregeln.“ Auch das sagte er ihr nicht zum ersten Mal. „Nur weil Ihr Euch selbst damit überfordert, der irdischen Liebe abzuschwören und Euch Gott allein versprochen zu haben.“
    „Ich habe wieder versagt, das ist es, das ist meine Sünde, meine schwere Sünde, dass ich sie liebe, dass ich sie immer noch liebe, ist meine Sünde, während ich Gott versprochen habe, mit Jesus allein verheiratet zu sein.“
    „Wie lange bemüht Ihr Euch jetzt schon darum?“
    Die weinende Nonne jenseits des Gitters blinzelte verwirrt.
    Womöglich wäre es besser, wenn Ihr den Tatsachen ins Auge blicktet? Vielleicht ist dieser Weg nicht der Eure? Gott ist bereit zu vergeben – auch Euch, falls Ihr Euch entschließen solltet.
    Was dachte er hier? Was war er bereit, in Erwägung zu ziehen – wiederum aus eigenem Ermessen? Schlicht und ergreifend, weil er nicht ertragen konnte, Woche für Woche denselben Schmerz mit anzusehen? Bei Elisabeth selbst – und bei der Frau, die sie liebte? Im Strudel um Luther waren schon Nonnen geflüchtet. Sollte er mit Heussgen darüber sprechen?
    Und den Gedanken allein sogleich wieder beichten. Immerhin schien er bereit, eine Braut Christi dazu anzustiften, die Kirche zu verlassen! Er raufte sich die Haare – froh um den Schutz, den er aufgrund des spärlichen Lichtes diesseits des Gitters genoss.  
    Wie man es drehte und wendete: Diese Frau verlangte etwas von sich, was sie unglücklich machte – je mehr sie es trotzdem versuchte, desto unglücklicher wurde sie – damit wiederum den Druck auf sich selbst erhöhend. Konnte das Gottes Wille sein? Konnte Gott wirklich wollen, dass seine Dienerinnen sich selbst aufgaben und litten? Doch das war schon wieder eine andere Frage – eine derer, die alles infrage stellten.  
    „Ich werde mich weiterhin bemühen, ich werde alles geben, ich werde alles Leiden erdulden, damit ich nur mein Gelübde erfüllen kann, ich will meine Stärke wiedererlangen, deshalb bin ich doch hier, Pater, weil ich es bereue, ich bereue es zutiefst! Bitte gebt mir eine Buße, eine schwere Buße, das wird mich dazu zwingen, besser zu werden.“
    Ein zweifelhafter Einfall durchzuckte ihn. Könnte er wagen, ihr die Buße aufzuerlegen, ein Gespräch mit Heussgen selbst zu führen? Der sie davon in Kenntnis setzte, dass es sehr wohl die Möglichkeit gab, aus dem Klosterleben auszusteigen? Gut, unter der Voraussetzung wahrscheinlich, eine Ehe einzugehen – mit einem ehemaligen Mönch. Böse Gerüchte behaupteten, dass es um Luther eine Art Heiratsmarkt gegeben habe. Aber wäre das nicht wenigstens eine in Betracht zu ziehende Möglichkeit, diesem permanenten Schmerz zu entkommen?
    Er sah auf den bebenden Stoff ihres Schleiers, der ihre zuckenden Schultern, ihren in Verzweiflung gebeugten Nacken so meisterlich verbarg. Nein, sie wäre nicht dazu in der Lage, etwas so Unnonnenhaftes zu tun.
    Katharina dagegen hätte den Mut dazu. Sie als Übermittlerin

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