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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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grundsätzliche. Sofern es denn eine Sünde vor Gott ist, wenn Nonnen sich miteinander befreunden.“
    „Was habt Ihr in Eurer ersten Befragung gelobt?“
    „Dass ich alle meine Mitschwestern gleich aufrichtig und geistig lieben werde“, antwortete sie sofort. Um dann in vertraulichem Ton hinzuzufügen: „Also ich habe 'ja' gesagt, aber gedacht habe ich, dass ich es 'versuchen' werde.“
    Arno unterdrückte ein Auflachen. Sie war einfach köstlich! „Also?“ Das Schmunzeln lag auch in seiner Stimme. Er räusperte sich. „Dann könnt Ihr Eure Frage selbst beantworten.“
    „Ich habe die Wahrheit gesagt, also vor Gott. Demnach begehe ich keine Sünde, wenn ich mich mit Katharina treffe. Oder sie mehr mag als die anderen.“ Sie überlegte kurz. „Katharina dagegen schon, nicht wahr? Sie hat ja bereits die zeitliche Profess abgelegt. Und dafür bin ich dann ja eigentlich mitverantwortlich.“
    Pause. Arno ertappte sich dabei, wie er gespannt wartete, welche Schlüsse sie nun ziehen würde.
    „Sündigt sie denn wirklich? Sie ist mit Jesus verheiratet. Aber was sollte der dagegen haben, wenn wir Freundinnen sind? Was nehmen wir ihm denn weg? Man kann einfach leichter mit Menschen reden als mit einem göttlichen Wesen, das nie antwortet.“  
    Arno seufzte. „Darüber kann man unterschiedlicher Ansicht sein. Wahrscheinlich muss das jeder für sich entscheiden.“ Anstiftung zum eigenständigen Denken. Musste er das seinerseits beichten? Allerdings nicht Heussgen. Fast hätte Arno laut gelacht.  
    „Katharina braucht eine Freundin, sie ist manchmal ganz furchtbar unglücklich“, erzählte Mathilda weiter, und zwar unbefangen plaudernd. „Im Moment geht es, da ist sie ja glücklich mit ...“
    „Habt Ihr etwas zu beichten, Schwester Mathilda?“, unterbrach er sie vorschriftsmäßig, ehe sie sich noch weiter in Plaudereien verlieren konnte.
    „Oh“, sie blinzelte. Als hätte sie tatsächlich ganz vergessen, zu welchem Zweck sie hier zusammengetroffen waren. „Nein. Nein, ich habe nichts zu beichten. Alles in Ordnung, ich meine ...“
    „Dann“, schloss Arno, „wird es gleich zu Sexta läuten.“
    „Oh.“ Sie sprang auf. „Es ist immer sehr hilfreich, mit Euch zu sprechen.“ Ihre Augen hatten die Maschen des Gitters passiert und tauchten in seine. „Ich danke Euch, Pater Arno!“ Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln und verschwand um die Ecke.
    Im selben Moment setzten dröhnend die Glocken ein.
    „Danke, Pater Arno“, äffte er Mathilda nach. „Danke, dass Ihr mir gar nichts gesagt habt.“
    Mit gekräuselten Lippen begab er sich nach oben in den Männerchor.

Samstag, 29. Oktober 1521
    Fremde Fehler muss man tragen
     
    Wer arges thut, der hasset das Liecht vnd kompt nicht an das Liecht. Auff das seine Werck nicht gestraffet werden.
    Neues Testament, Johannes 3, 20
     
     
    Der Finstere Gang stellte für Mathilda jetzt endgültig ein Problem dar. Die Haare standen ihr bereits zu Berge, wenn sie nur daran dachte.
    Erleichtert atmete sie auf, als sie diesmal Edeltraud an der Pforte entdeckte. „Kannst du mir einen Gefallen tun“, begann sie zögerlich. „Der Finstere Gang, weißt du? Ich grusele mich so, wenn ich alleine hindurch muss. Und du hast eine Lampe.“
    Edeltraud fackelte nicht lange, entzündete den Lampendocht an der kleinen Dauerkerze. „Die Lampe aus der Hand zu geben ist mir streng untersagt, aber ich begleite dich. Wir müssen nur schnell machen, denn eigentlich darf ich nicht einmal die Pforte verlassen.“
    Der schmale Gang direkt neben der Kirche wirkte im Lampenlicht plötzlich gar nicht mehr unheimlich. Er war nur ein ordentlich verputzter, recht schmaler und sehr langer Korridor, durch den ein kalter Luftzug strömte. Im Schein der Lampe entdeckte Mathilda die Türe zum Sargraum. In deren Nische vorgestern derjenige gestanden war, der ihr einen solchen Schrecken eingejagt hatte. Jetzt war die Vertiefung leer und sah entsprechend harmlos aus.
    Erleichtert eilte Mathilda Edeltraud nach.
    „Ich bin dir wirklich sehr dankbar“, hauchte sie, als die in der Ausgangstüre stehenblieb.
    „Wie kommst du zurück?“, fragte Edeltraud. „Ich werde dich nicht abholen können.“
    Nein, das konnte sie wohl nicht. Edeltraud konnte nicht bestimmen, wo sie arbeitete. So war sie vorgestern ja auch plötzlich abberufen und von Elisabeth vertreten worden.
    „Das macht nichts“, sagte Mathilda. „Ich frage einfach bei Pater Arno nach, ob mich jemand begleiten kann.“

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