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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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Vielleicht Georg , überlegte sie, sagte das aber lieber nicht.
    Aber Edeltraud hatte sich auch schon abgewandt und lief eiligen Schrittes zurück zu ihrer Arbeit. Mathilda warf dem davoneilenden Lichtschein noch einen Blick hinterher, dann ging sie schnell weiter, durch die Türe, nach draußen, auf den Friedhof. Wo sie angesichts der länglichen Öffnung direkt neben dem Weg abrupt stehenblieb. Noch ein offenes Grab? Sie vergewisserte sich, dass sie sich nicht getäuscht hatte. Aber nein, da drüben, an der Mauer gähnte ein neues Loch. Und ganz hinten an der Wand zum Frauenkonvent war der aufgeschüttete Erdhügel deutlich angewachsen.
    Wie viele Gräber brauchten denn diese Nonnen, um nicht zu vergessen, dass sie alle eines Tages sterben würden?
    Mathilda schauderte, schüttelte sich kurz und rannte davon, weiter an der Kirchmauer entlang. Sie zumindest brauchte keines!
     
    Sie hatte die Hoffnung gehegt, heute vor den Novizen im Unterrichtsraum einzutreffen. Um ungestört mit Pater Arno über den Vorfall im Finsteren Gang zu sprechen – und ihn darum bitten zu können, ihr eine Lampe oder Begleitung zur Verfügung zu stellen. Zu ihrer Enttäuschung war er gar nicht da. Nur Georg, der bereits an ihrem Tisch saß und arbeitete.
    „Er ist oben im Skriptorium, bei Hartwig“, beantwortete er prompt ihren fragenden Blick.
    „Das ist aber – schade“, sagte Mathilda heftiger als gewollt und biss sich auf die Lippen, um sich am Fluchen zu hindern. Was sie dazu brachte, gleich im nächsten Moment zu prüfen, ob ein nicht ausgesprochener Fluch ebenso sündhaft wäre wie ein heftig in den Raum geschleuderter. Wahrscheinlich nicht, immerhin war er an niemandes Ohr gedrungen. Doch dann fiel ihr ein, dass sie derartige Spitzfindigkeiten bei Sünden nicht betreiben musste. Sünde war Sünde und gehörte damit in den Beichtstuhl. Kein Problem also.
    „Er wird gleich zurück sein“, setzte Georg hinzu.
    Erst jetzt fiel Mathilda auf, dass er heute ganz anders aussah. Sein Haar, sonst stets ordentlich, war völlig zerrauft – er selbst war blass, nervös und rang mit den Händen. Etwas, was auch Mathilda gerne gemacht hätte. Sie brauchte jetzt nicht Georg, der konnte ihr nicht helfen. Unschlüssig blieb sie stehen. Sollte sie hinausgehen und Pater Arno abfangen? Georg hatte schließlich gesagt, dass er gleich wieder kommen würde. Sie könnte auch hinaufgehen, ins Skriptorium ...
    „Es ist gut, dass wir alleine sind.“
    Erstaunt sah sie, dass Georg zitterte und schwitzte. „Was hast du? Bist du krank?“
    „Ich ... muss dir ... was sagen“, erwiderte er statt einer Antwort.
    Dabei sah er so dermaßen elend aus, dass Mathilda mit einem Mal alles klar war. Sie riss die Augen auf. „Du? Das warst du? Warum?“
    „Ich“, Georgs weiße Lippen bebten, „ja!“, stieß er mit einem heftigen Atemstoß hervor, nur um hastig hinzuzufügen. „Ich weiß, ich habe dich furchtbar erschreckt, aber meine Absichten ... waren ganz und gar redlich.“
    „Schon klar“, nickte Mathilda und fühlte ihre Knie wackeln. Georg war es gewesen. Er hatte ihr aufgelauert. Und jetzt ...  „Du wolltest mir nur einen ganz und gar redlichen Schrecken einjagen“, sagte sie heftig. „Ich hab gedacht, der T ...“ Sie brach ab. Nein, davon würde sie Georg lieber nichts erzählen.
    „Ich wusste ja, dass du im Finsteren Gang Angst hast und wollte dich hindurchgeleiten.“ Georgs Stimme war ein verzweifelter Hauch. „Ich weiß nicht, wieso ich mich dann nicht bemerkbar gemacht habe, als du gekommen bist. Plötzlich hatte ich selbst nur noch Angst. Es war allein meine Idee gewesen. Ich hatte nicht gefragt und niemandem davon erzählt. Was, wenn du“, er wand sich, „es nicht gewollt hättest?“
    Während Mathilda ihn nur stumm anstarrte, holte er abermals tief Luft. Und dann brach es heftig aus ihm heraus. „Ich war feige, verstehst du? Du hättest mir Schwierigkeiten machen können. Deswegen hab ich mich in die Türnische gedrückt. Ich dachte und hoffte, dass du mich dann nicht bemerken würdest. Ich hatte doch keine Ahnung, dass du mit ausgebreiteten Armen durch diesen Gang rennst!“
    Mathilda drehte den Kopf. Der Wollmantel dort hinter der Tür. Es war Georgs. Den hatte sie gefühlt. Sie schnupperte. Ja, hier roch es nach Rauch. „Du wolltest mir – helfen?“
    „Ich wollte dir anbieten, dich immer abzuholen und zurückzubringen. Ich wollte dir helfen, ja.“
    Mathilda sah Georg an. Warum zweifelte sie an der Aufrichtigkeit

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