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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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Schwester Jordanin wandte sich ab und schloss den Schrank. „Genug geredet. Du solltest jetzt schweigen und in dich gehen.“
    „Der Balkon“, fiel Mathilda plötzlich wieder ein. „Der über dem Beichtplatz“, fügte sie auf den verständnislosen Blick der anderen hinzu. „Darf dort jemand lauschen? Ich meine ...“
    „Die Äbtissin hat das Recht dazu“, kam zu Mathildas Entsetzen zurück. „Doch Mutter Örtlerin hat davon noch nie Gebrauch gemacht. Auch wenn ...“ Ein heftiges Husten ergriff die Jordanin.
    Mathilda sah sie besorgt an, doch sie hatte sich im nächsten Moment schon wieder gefasst.
    „Wir haben keine Geheimnisse vor unserer ehrwürdigen Mutter“, sprach sie aus – ihr Tonfall pure Demut. Dass sie aber schon wieder hustete ... „Jetzt reicht es“, verfügte sie, nun regelrecht herrisch. „Morgen wieder.“
    Mit der Gewissheit, dass sich zu ihren vielen ungestellten Fragen noch etliche dazugesellt hatten, fügte sich Mathilda in ihr schweigendes Schicksal. Stumm sah sie zu, wie Schwester Jordanin mit einer endgültigen Geste die Hände unter ihr Skapulier steckte, sich abwandte und davoneilte. Dann schob sie ihr Jesuskindlein wie einen Säugling in den Arm und lief ihr hinterher.
     
    Im Korridor vor der Frauenkapelle herrschte Ruhe – und dennoch schienen sämtliche Nonnen hier versammelt zu sein.
    Rechts und links der Wand waren sie aufgestellt, immer in Zweierreihen. Auf der Fensterseite standen die Nonnen mit weißen Schleiern, die Laienschwestern. Gegenüber an der Wand die Chorfrauen mit ihren schwarzen Schleiern und weißen Kronen.
    Kaum hatte sich Mathilda angestellt, als sich der Zug schon in Bewegung setzte. Direkt vor dem Eingang zum Frauenchor stand die Äbtissin und besprenkelte sie mit Weihwasser. Danach teilte sich der Zug. Die Weißschleier bogen nach links ab, während die Schwarzschleier den Frauenchor betraten. Ihnen folgte Mathilda.
    Weisungsgemäß machte sie in Richtung Altar einen tiefen Knicks. Und während die letzten Nonnen geräuschlos zu ihren Plätzen eilten, zog sie sich ganz nach hinten zurück. Dort blieb sie stehen, ein wenig versteckt, direkt neben dem letzten Chorstuhl, beobachtete und lauschte.
    Gleich hinter dem Altar befand sich ein großes Fenster, das jetzt weit offen stand. Ergriffen hörte sie, wie die Mönche im Herrenchor eine Psalmzeile sangen, tief und vollklingend – und die Nonnen daraufhin antworteten, mit ihren hellen Stimmen. Immer im Wechsel. 
    Sogar von hier, aus der kleinen Frauenkapelle, konnte Mathilda hören, dass der Kirchraum den singenden Stimmen mehr Tiefe verlieh, sie damit verstärkte. Sie hallten von den hohen Wänden wider, nahmen dabei einen ganz besonderen Klang an, feierlich und andächtig. Wie Engelsgesang, berauschend schön.
     
    Genauso angereiht und schweigend, wie sie in den Frauenchor eingezogen waren, gingen die Nonnen nach der Andacht zum Refektorium. Dadurch war es für Mathilda nicht schwer, den für sie vorbestimmten Platz zu finden. Sie war als letzte in den Saal gekommen – und saß nun auch als letzte auf der langen Bank der Chorschwestern, direkt neben der Türe.
    Während unruhiges Geraschel einsetzte, weil Teller verschoben, Hände gerieben oder einfach auf dem Platz herum gerutscht wurde, hatte Mathilda Zeit, sich ein wenig umzusehen.
    Im Refektorium saßen die Nonnen entlang der langen Wände auf Bänken, die Gesichter zur Raummitte, wo sich lediglich ein Stehpult befand. Diesmal allerdings standen vor ihnen lange, gedeckte Tische, die nur einige schmale Durchschlüpfe ließen. Wieder waren sie streng nach Schleierfarbe getrennt. An der Fensterwand saßen die Weißschleier.
    In der Mitte der Stirnwand stand ein Altar mit einem großen Kreuz. Umrahmt war der Gekreuzigte von den beiden Marias. Weiter außen, am Rande des Altars, als Abschluss, standen die Figuren zweier Nonnen. Die linke war offensichtlich die Heilige Birgitta von Schweden, die Ordensgründerin.
    Inzwischen war vollständige Ruhe eingekehrt. Mathilda konnte sich nur wundern, dass es in einem Raum voller Menschen so absolut still werden konnte.
    Auf ein Zeichen der Äbtissin hin falteten alle Nonnen die Hände und senkten ihre Köpfe in Andacht.
    „Segne, Herr, was deine Hand uns aus Gnaden zugewandt.“
    Mathilda, deren Magen hörbar knurrte, dachte an das Brot, das bereits auf dem Tisch stand – und an Schmalzgebackenes, dessen Geruch verlockend in der Luft hing.
    „Segne, Vater, diese Speise, uns zur Kraft und dir zum

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