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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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Preise.“
    Sie schielte zu ihrer Nachbarin, einer recht jungen Nonne, die lautlos ihre Lippen bewegte, sich bekreuzigte und sich schließlich über den gefalteten Händen verneigte.
    „Amen“, tönte es durch den Raum.
    Im allgemeinen Geraschel und Geraune war Mathilda entgangen, dass sich eine der Nonnen von ihrem Platz erhoben hatte – und an das Stehpult getreten war. Sie bemerkte es erst, als diese laut zu sprechen begann:
    „Heute ist Montag, der siebzehnte Oktober 1521.“ Dann begann sie aus der Bibel vorzulesen: „Und der Herr redete mit Mose und sprach ...“
    Im Saal schien man auf diese Worte gewartet zu haben, denn mit einem Seufzer der Erleichterung begannen alle Nonnen gleichzeitig nach Brot, Fleisch und Getreideküchlein zu fassen und sich die Teller zu füllen. Mathilda tat es ihnen gleich. Teller wurden verschoben, Becher knallend auf dem Tisch abgesetzt, Besteck klapperte. Und über allem lag monoton die Stimme der Vorleserin: „In der Pfannen mit Öle sollst du es machen und geröstet darbringen. Und in Stücken gebacken sollst du solchs opfern zum süßen Geruch dem HERRN ...“
    „Wie heißt du – Mathilda?“, erreichte sie die geraunte Frage von links. „Und wie alt bist du eigentlich? Du siehst so jung aus.“
    Überrascht hielt Mathilda mit dem Kauen inne und sah die junge Nonne neben sich an, die unbeteiligt tat und weiter aß, als hätte sie nichts gesagt.
    „Nicht hersehen“, hörte Mathilda die Stimme erneut. Hastig richtete sie ihren Blick wieder auf ihren Teller.
    „Mathilda von Finkenschlag“, raunte sie, nachdem sie geschluckt hatte. „Ich bin sechzehn.“
    „Ich bin Katharina Greulich“, sagte ihre Nachbarin. „Nicht zu verwechseln mit der Heiligen Katharina von Schweden“, sie verzog die Mundwinkel leicht und wies mit der Hand verstohlen auf die rechte Seite des Altars. „Seit einem Jahr bin ich hier.“
    Mathilda nickte.
    „Warum bist du jetzt schon gekommen?“, erreichte sie sofort die nächste Frage. „Man muss hier doch mindestens achtzehn sein, wenn man aufgenommen werden will.“
    „Ich weiß“, raunte sie zurück. „Es ist wohl eine Ausnahme, dass es bei mir anders ist.“
    „Das ist ungewöhnlich“, kam Katharinas Stimme nachdenklich zu ihr. „Wie hat dein Vater das erreicht?“
    Mathilda riskierte einen Blick auf ihre Nachbarin, doch die sah aus, als wäre sie ganz gebannt vom monotonen Singsang der Vorleserin.
    „Er bracht auch erzu den andern Widder des Fülleopfers. Und Aaron mit seinen Söhnen legten ihre Hände auf sein Haupt. Da schlachtet man ihn. Und Mose nahm seines Bluts und tat es Aaron auf den Knörbel seines rechten Ohrs ...“
    „Hier im Konvent nehmen sie nicht einmal Novizinnen, weil es zu wenige Nonnen gibt“, fuhr Katharina ungerührt fort. Offensichtlich erwartete sie keine Antwort auf ihre Frage. „Man muss sein Noviziat zuhause verbringen, unter Anleitung eines Geistlichen. Wer hierher kommt, wird schon nach ein paar Tagen geweiht.“
    „Warum ist das so?“, raunte Mathilda und hielt sich ein Stück Brot vor den Mund.
    „Weil sie keine Novizenmeisterin haben“, kam sofort die Antwort.
    „Aber ich habe Schwester Jordanin ...“
    „Du Glückliche.“ Ein tiefer Seufzer von links erreichte sie. „Schwester Jordanin ist wunderbar.“
    „Äh ... Findest du?“ Nun waren Mathildas Augen verblüfft zu Katharina herum geschnellt. Rasch richtete sie sie wieder geradeaus und flüsterte: „Bis jetzt war sie nicht sonderlich nett.“
    „Sie verstellt sich“, raunte Katharina sofort. „In Wahrheit ist sie die wunderbarste ...“, sie seufzte erneut, „Nonne.“
    Das musste Mathilda erst einmal verdauen. Schwester Jordanin war überaus korrekt gewesen. Aber nett oder gar wunderbar? Dann fiel ihr ein, dass sie in der Kirche geweint hatte.
    „Hat sie vielleicht Kummer?“, fragte sie.
    „Wie kommst du denn darauf?“
    Alle Vorsicht außer Acht lassend, war Katharinas Kopf herumgefahren.
    „Schweigt“, kam es prompt von einem Stückchen weiter vorn.
    Mathilda fühlte ihre Wangen heiß werden. Hastig senkte sie den Kopf über den Teller.
    „Und sprenget das Blut des Sündopfers auf den Altar umher ...“
    Mathilda wurde schlecht. Sünde! Sie hatte während des Silentiums gesprochen und damit schon wieder gesündigt. Ab jetzt würde sie sich an die Regeln halten – und schweigen.
    „Und nahm das Fett und den Schwanz und alles Fett am Eingeweide. Und das Netz über der Leber, die zwo Nieren mit dem Fett daran und die

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