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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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wo sie an ihrem neuen Buch arbeitete, nicht überraschend gekommen. Selbiges lasse ihr keine Zeit für anderweitige Beschäftigungen. Und dazu gehöre schließlich selbst ihr Posten als Priorin des Konvents.
    Ursula Klöbl hatte glaubhaft behauptet, sie sei aus der Übung, ihr Latein lasse zu wünschen übrig.
    Appolonia Paumen – von der eine junge Nonne wirklich viel hätte lernen können, was das Abschwören weltlicher Vorlieben betraf – befand sich im selbstauferlegten Dauersilentium.
    „Da ist es mir selbstredend unmöglich, eine Schülerin zu unterrichten“, hatte sie mit rauer, hörbar sprechungeübter Stimme erklärt, Arno einen vorwurfsvollen Blick durch das Klausurgitter zuwerfend, als ob er sie absichtlich in Versuchung geführt hätte, ihren Vorsätzen untreu zu werden.
    Barbara Steudl war die einzige gewesen, die keine Ausrede gehabt hatte. Allerdings hatte der Blick, mit dem sie dem Anliegen der Örtlerin gelauscht hatte – streng, zugleich fast gierig und mit der ihr eigenen Humorlosigkeit versetzt – Arno in jähes Mitleid mit der unbekannten Grafentochter gestürzt. Diese Frau würde jedem Schüler jedweden Spaß am Lernen nehmen. Es war ihm ein Leichtes gewesen, durch gezielte Fragen ihre durchaus bedenklichen Bildungslücken hervorzuheben.
    Am Ende hatte die Örtlerin, wieder allein auf ihrer Seite des Klausurgitters, sich sichtlich zufrieden an Arno gewandt: „Ihr seht, lieber Pater“, in gespielter Demut ihren Kopf zur Seite neigend, „es scheint Gottes Wille zu sein, dass Ihr als Novizenmeister auch die junge Mathilda unter Eure Fittiche nehmt.“
     
    Gottes Wille! Hier und jetzt konnte er es laut herausschnauben. Wenn es denn der wäre!  
    Da stand er nun – mitten in seinem leeren Klassenraum, morgen früh jedoch bereits als Lehrer zweier motivierter und tüchtiger zukünftiger Priester – und hatte ein blutjunges Ding am Hals, das vor sinnlicher Lebenslust nur so strotzte. Was würde geschehen? Ja, wie würden die beiden Novizen damit umgehen?
    Souveräner als er selbst angesichts der jungen Aurelia damals? Aber war es nicht eher so, dass eine junge Frau wie Mathilda zwangsläufig die dem Manne innewohnende Empfänglichkeit an den Tag befördern würde?
    Er stutzte. Könnte er das Ganze nicht so definieren? Sozusagen als eine Art – Experiment? Um herauszufinden, ob er richtig lag mit seiner Überzeugung, dass die bloße Anwesenheit einer Frau dafür sorgen würde, dass das profane Schicksal zweier gottgeweihter Männer auf den Prüfstein gestellt würde?
    In diesem speziellen Fall würde sich zugleich zeigen, ob er recht hatte mit dem, was er eben während der Beichte erkannt hatte: dass es nur eine Frage der Zeit war, bis Mathilda von Finkenschlag ihrer eigentlichen Bestimmung zugeführt wurde: der, weltliche Ehefrau und Mutter zu werden.
    Arno spürte, wie sein Interesse erwachte. Auf diese Weise könnte er außerdem wie nebenbei den Beweis erbringen, wie hirnverbrannt das Vorgehen seiner ach so pragmatischen Äbtissin und ihres weltmännischen Priors war – indem es dem Kloster gleich zwei Verluste bescherte. Sich ein befriedigtes Lächeln gönnend, wandte Arno sich zur Bibliothek nebenan. Er würde sich jetzt eine neue Lektüre aussuchen. Irgendetwas Leichtes und Unkompliziertes! Kompliziert würde es ohnedies werden. Und das ganz ohne sein Zutun.

…  denn sie sollen getröstet werden
     
     
    Im Weggehen warf Mathilda dem verdächtigerweise direkt über dem Beichtplatz angebrachten Balkon, der ihr vorher gar nicht aufgefallen war, einen skeptischen Blick zu. Er war leer und war es die ganze Zeit über gewesen, dessen war sie ziemlich sicher. Ob dort manchmal die Äbtissin zuhörte? Um den Beichtvater zu kontrollieren? Oder gar die Nonnen selbst? Galt hier im Kloster etwa nicht das Beichtgeheimnis? Sie schauderte. Das würde sie Schwester Jordanin gleich ganz zuerst fragen.
    Wie gut, dass der Beichtvater selbst – wie hieß er gleich noch mal? – sich als so verständnisvoll und vertrauenswürdig erwiesen hatte.
    Eilig ging Mathilda auf Schwester Jordanin zu, die noch immer versunken in der Bank kniete und stumme Zwiesprache führte. Oder betete.
    Oder schläft , meldete sich eine vorwitzige Stimme in ihr. Sie verzog das Gesicht. Das durfte doch nicht wahr sein! Gerade eben war sie mit der Beichte fertig geworden – und schon wieder hatte sie derart ungehörige Gedanken in ihrem Kopf. Um die zu vertreiben, schüttelte sie ihn kurz. Dann räusperte sie sich leise –
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