Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
Vom Netzwerk:
das kein Erfolg war! So würde sie weitermachen.
    Ihr neuer Vorsatz wurde alsbald über den Haufen geworfen, als Schwester Jordanin im Sprechzimmer einen Schrank öffnete.
    „Such dir einen aus.“
    Neugierig trat Mathilda näher – und musste lachen. „Das sind ja Puppen!“
    „Jesuskindlein“, wurde sie prompt verbessert.
    Es waren Puppen. Kleine, nackte Knaben mit säuglingshaften Rundungen, rosigen Wänglein und einem strahlenden Lächeln im Gesichtchen.
    „Was ist damit?“, fragte sie, noch immer ratlos. Was sollte sie mit einer Puppe? Selbst wenn die Jesus darstellen sollte.
    „Daraus kannst du dir deinen himmlischen Bräutigam machen.“
    Mit stummem Erstaunen stierte Mathilda in den Schrank, wo Körperchen an Körperchen lag, fein säuberlich durch dünnem Nesselstoff voneinander getrennt.
    Schwester Jordanin hob die Schultern. „Du kannst während der Rekreationszeit an einem feierlichen Gewand für deinen Jesus nähen. Das ist eine angemessene kontemplative Beschäftigung zur Entspannung.“
    Mathilda nickte, als ob sie das nachvollziehbar fände. „Hat jede Nonne hier so einen – Bräutigam?“
    „Manche haben mehrere“, antwortete Schwester Jordanin. „Also, hast du dich für einen entschieden?“
    Mathilda, die schon lange nicht mehr mit Puppen gespielt hatte, griff sich wahllos eines der Körperchen heraus. „Ich nehme den hier.“
    „Sie sind aus Wachs“, erklärte Schwester Jordanin und schloss den Schrank wieder. „Pass also mit Feuer auf und lege ihn nicht in die Sonne.“
    Dann klatschte sie in die Hände. „Hast du die Glocke gehört? Sie hat zu Vesper geschlagen.“ Sie wandte sich zur Türe.
    „Tertia und Nona können auch während der Arbeit gebetet werden, alle anderen Gebetsstunden verbringen wir im Frauenchor.“ Sie warf einen Blick auf Mathilda, die noch immer die Puppe hielt. „Auf dem Weg dorthin kannst du deinen Jesus vor dem Refektorium in eine Fensternische legen. Nach Vesper ist nämlich Abendessen, dann folgt Komplet – und anschließend gehen wir zum Nachtsilentium in unsere Kammern.
    „Kommt Ihr nicht mit?“, fragte Mathilda, konnte aber im gleichen Moment schon sehen, dass Schwester Jordanin den Kopf schüttelte.
    „Nein. Ich begleite dich jetzt noch bis hinauf, in den Korridor vor dem Frauenchor. Dort stellen wir uns auf, für den Einzug in die Kapelle. Immer in Zweierreihen. Wenn du dran bist, verneigst du dich vor dem Altar.“ Sie hielt kurz inne und wartete.
    „Und dann?“ Mathilda fragte, obwohl sie sicher war, dass Schwester Jordanin ohnedies weitersprechen würde.
    „Du wirst ganz hinten in der Reihe stehen und als Letzte einziehen. Nach deiner Verneigung wirst du dich zurückziehen, ganz nach hinten, zum letzten Platz im Chorgestühl. Aber du wirst dich nicht setzen, hörst du?“
    Mathilda nickte nur.
    „Bis auf Weiteres wirst du als Neue die Andachten stehend oder kniend verbringen“, sprach die Nonne weiter.
    „Müssen das alle Neuen?“, fragte Mathilda neugierig.
    Schwester Jordanin nickte. „Bis sie die erste Weihe bekommen haben. Ab dann zählen sie als Konventsmitglied.“
    Mathilda war also – noch - kein Konventsmitglied. Und das würde sich so schnell auch nicht ändern, schließlich hatte sie erst Postulat und Noviziat hinter sich zu bringen. Aber was bedeutete das für sie? „Wie lange wird es dauern“, setzte sie an, räusperte sich und sprach weiter. „Ich meine, muss ich auch so lange stehen - bis zu meiner Weihe?“
    Doch Schwester Jordanin zuckte nur mit den Achseln. „Hast du nicht gehört, was die Äbtissin gesagt hat? Hier ist es nicht üblich, Kandidatinnen aufzunehmen. Du stellst eine Ausnahme dar. Ich kann dir nichts weiter dazu sagen.“
    Da hörte Mathilda auf zu fragen. Was sollte es auch bringen? Diese Schwester konnte oder wollte nichts mehr sagen. Sie würde sich damit also an die Äbtissin wenden müssen. Ob das aber so ohne Weiteres möglich war?
    Doch Schwester Jordanin war noch immer nicht fertig: „Ab jetzt wird alles gemeinschaftlich gemacht. Das heißt, nach Vesper folgst du einfach dem Zug der Nonnen. Morgen nach der Messe stehe ich dir wieder zur Verfügung, werde dich durchs Kloster führen und dir alles zeigen. Am Nachmittag, nach Sexta, werde ich dich noch in die Bibliothek begleiten, danach wirst du deine Wege wohl alleine finden können und wir werden uns nur noch einmal täglich treffen, um die notwendigen Dinge zu besprechen. Ich werde dir jeweils Bescheid geben, wann ich Zeit habe.“

Weitere Kostenlose Bücher