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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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bist. Doch wohl so, wie Gott dich geschaffen hat,“ hörte sie da schon Schwester Loherins tiefes Seufzen. „Es ist die Stimme des Fleisches, die sich rührt, sobald unser Körper nicht mehr vor unseren Augen verborgen ist.“
    „Hast du wirklich noch nie einen Mann – auf diese gewisse Weise angesehen, die auch deinen Körper berührt?“
    „N-nein“, stammelte Mathilda und fragte sich mit steigender Verzweiflung, wovon diese beiden Frauen da sprechen mochten.
    „Dann hast du dich wohl auch noch nie ...“ Die Stimme räusperte sich und setzte erneut an. „Dann hast du also auch noch nie gegen das sechste Gebot verstoßen?“
    Unkeuschheit? Die Nonnen hier sprachen von Unkeuschheit? Mathilda hatte vor Erstaunen, Brüskierung und auch Entsetzen die Augen aufgerissen und starrte auf den Vorhang links von sich. Erwarteten die beiden tatsächlich, dass sie gestand, welche Gedanken ihr schon das eine oder andere Mal durch den Kopf gegangen waren? Um sie dann deswegen im Kapitel anzuklagen? Denn wenn das Klosterleben Mathilda bisher eines gelehrt hatte, so war es, sehr genau hinzusehen, wem sie was erzählte oder gestand. Zwei gesichtslosen Stimmen Derartiges anzuvertrauen kam für sie überhaupt nicht infrage!
    „Ach, lass das Mädchen in Ruhe“, mahnte da auch schon der Paumenins Stimme und seufzte unüberhörbar wehmütig. „Das Wasser wird langsam kalt. Das war's wohl.“ Dann änderte sich ihre Stimmlage, wurde sachlich – und kühl: „Schwester Gensstallerin, Schwester Harnischin, ich bin fertig.“
    Mathilda hörte Wassergeplätscher – und wie sich neben ihr Schwester Loherin rührte.
    „Schade“, brummte die. „Es war mal wieder – zu schön.“
    In diesem Moment wurde der Vorhang bei Mathilda zur Seite geschoben und Edeltraud huschte herein.
    „Du musst jetzt auch rauskommen“, hauchte sie leise und hielt Mathilda mit abgewandtem Kopf ein großes Handtuch entgegen. „Ich seh auch nicht hin.“
    Während Mathilda aufstand, wies sie mit dem Kinn auf den Vorhang. „So geht es den meisten, während sie im warmen Wasser liegen. Und das ist der Grund, warum es nur so selten erlaubt wird. Es ist, nun ja, zu körperlich und bringt uns auf falsche Gedanken.“
    Sie verließ Mathilda eilig, nachdem die aus dem Zuber geklettert war. Nachdenklich zog sie sich an.
    Sie traf auf Schwester Paumen, als sie den Vorhang ihrer Kabine zur Seite schob und in den Baderaum trat.
    „Hallo“, sagte Mathilda und lächelte erfreut. Es war schön, endlich einmal mit ihr ins Gespräch zu kommen.
    Doch die sah sie nur kurz an, verzog die Mundwinkel ansatzweise und richtete ihre Augen zu Boden. Dann wandte sie sich ab und verließ wortlos den Raum.
    „Was hat sie?“, fragte Mathilda und sah ihr entgeistert nach.
    „Ihr Schweigegelübde“, erinnerte Edeltraud. „Sie wird in diesem Jahr kein Wort sprechen.“
    „Aber gerade hat sie doch noch ...“
    „Während des Bades gilt das nicht“, fiel ihr Edeltraud ins Wort. „Da sind sie alle – anders als sonst.“
    Unbeschwert, dachte Mathilda, frei von den drückenden Klosterregeln, mehr sie selbst.
    „Pass mal auf, wenn du jetzt gleich Schwester Loherin siehst“, flüsterte Edeltraud noch, als schon der Vorhang an der betreffenden Stelle zu wackeln begann.
    „Waren das jetzt alle Chorfrauen?“ Die Loherin war mit ein paar Schritten heran und wies auf den über dem Feuer hängenden Kessel. „Dann könnt Ihr das Feuer löschen, es wird kein Wasserwechsel mehr benötigt.“
    Edeltraud neigte den Kopf. „Die Laienschwestern haben noch nicht ...“
    „Dann aber schnell jetzt“, sagte Schwester Loherin. „Es hat bereits vor einiger Zeit zum Kapitel geläutet. Bis Vesper müssen alle fertig sein.“
    Fünf Schritte – und die Tür des Badhauses klappte hinter ihr.
    „He, das war aber gemein“, regte sich Mathilda auf. „Sie hat sich ewig Zeit gelassen und ihr müsst jetzt hetzen.“
    „Denk dir nichts“, sagte Edeltraud. „Das ist immer so. Aber wir schaffen das schon.“ Sie wandte sich an Schwester Rupprecht, die gerade hinter dem Vorhang hervorkam. „Eile und hol die anderen aus der Küche. Wir müssen mal wieder zu zweit in die Wannen.“ Dann drehte sie sich zu Schwester Gensstaller und Schwester Ofler: „Schnell, jede nimmt sich eine Wanne vor und füllt heißes Wasser nach.“
    Sie nickte Mathilda zu und lächelte. „Mach dir nichts draus, Badetag ist trotzdem immer ein Freudentag. Aber jetzt geh.“

Samstag, 24. Dezember 1521
    Die Wurzel allen

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