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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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Ihr mir aufgetragen habt.“
    Arno stieß einen gequälten Seufzer aus. Bis auf seine ... Involviertheit war es wahrscheinlich kein wirklich schlechtes Beichtgespräch gewesen.

Freitag, 23. Dezember 1521
    Nonnenwonnen
     
    Lerne das Zuhören, und du wirst auch von denjenigen Nutzen ziehen, die dummes Zeug reden.
    Platon
     
     
    Mathilda kniete vor dem Kreuz in ihrer Zelle.
    „Gott, bitte sorge für meinen Vater, damit ich bald von ihm höre. Und bitte mach, dass im Unterricht und mit Georg wieder alles in Ordnung kommt, und dass es ein schönes Weihnachten wird. Amen.“
    Es ging ihr wieder besser. Dank des freundlichen Pater Heussgen fühlte sie sich schon viel wohler. Nicht mehr so verlassen und verloren. Zuversichtlich sah sie vorwärts. Und was sich da abzeichnete, war durchaus erfreulich. Noch heute würde sie endlich baden können! Warmes Wasser, das den ganzen Körper wohlig durchwärmte, frische Kleidung. Allein die Vorfreude darauf war ein Genuss. Wie würde es da erst sein, wirklich darin zu liegen?
    Sie hob den Kopf und sah Jesus an. Bisher hatte sie nur einen Blick ins Badehaus werfen können – und mehrere große Holzzuber gesehen. Würden die Nonnen dort gemeinsam baden, ohne Schleier und – nackt?
    Bei allem, was sie bisher hier erlebt hatte - das konnte sie sich nun überhaupt nicht vorstellen. Die Nonnen verbargen nach Möglichkeit ja sogar ihre Hände. Da würden sie sich doch nicht plötzlich voreinander ausziehen, also nein!
    Sie seufzte, bekreuzigte sich und stand auf. Das würde sie in Kürze in Erfahrung bringen können. Wie hatte die Äbtissin im gestrigen Kapitel angekündigt?
    „Den morgigen Nachmittag werden die Konventualen in ihren Kammern verbringen und ihre Seelen im Gebet reinigen, bis nach ihnen geschickt wird, um ihrem Körper Selbiges angedeihen zu lassen.“
    Na, ihre Seele, es war bereits nach Nona, war bereits bestens 'gewaschen'. Fehlte nur noch der klägliche Rest. Mathilda stellte sich das Wohlgefühl sauberer Haare vor, die nicht mehr schwer am Kopf anlagen, und den Duft frischer Kleidung auf ebenso frischer Haut.
    Zuhause hatte sie baden können, wann immer ihr danach gewesen war. Hier jedoch – noch nie.
    Auch dies war etwas, was ihr wirklich schwerfiel: in Bezug auf Sauberkeit so fremdbestimmt zu sein. Selbst die intimsten Verrichtungen unterlagen der Klosterregel. Wehe der Nonne, die außerhalb der dafür vorgesehenen Zeit den Abtritt aufsuchen musste! Wenig überraschend war da, dass so auch der Wäschewechsel geregelt wurde. Beides entsprach beileibe nicht Mathildas Rhythmus oder Reinigungsbedürfnis und war daher unangenehm. Sie schleppte jeden Vormittag Holz – schwitzte und wurde schmutzig dabei. Kuttenwechsel jedoch war nur alle zwei Wochen. Aber heute war es soweit: In Kürze würde sie äußerlich wieder frisch und sauber sein. Und innerlich?
    Beinahe hätte sie aufgelacht. Wenn Gebete die Seele reinigten, dann sollten die der Nonnen - und auch ihre eigene - ständig in reinstem Glanz erstrahlen. Soviel wie hier gebetet wurde!
    Kein bisschen verwunderlich war, dass sie noch nicht geholt worden war. Sie würde wohl, wie immer, die Letzte sein.
    Mathilda sah sich in ihrer Zelle um. Gebetet hatte sie inzwischen wirklich genug. Aber was könnte sie noch tun? Hier gab es so wenig. Nur noch das Trösterlein dort in der Schublade. Nach einem Blick auf die eingewickelte Puppe schüttelte sie den Kopf. Dann doch lieber einen Rosenkranz. Sie könnte dabei einen Test machen: Bis zum wievielten Gesätz würde sie gelangen, bis man sie abholen kommen würde? Bis zum Kapitel war es nicht mehr so furchtbar lange hin. Wenn sie in normalem Tempo und ungestört betete, würde es wohl für einen ganzen Rosenkranz reichen . Das war langweilig.
    Ein hartes Pochen erlöste sie von ihren Überlegungen: „Du bist dran. Begib dich ins Badehaus.“
    „Was?“ Sie war schon aufgesprungen und stand in der geöffneten Tür, konnte jedoch nur noch einen ums Eck wehenden schwarzen Schleier sehen. Die Stimme hatte nach Schwester Steudlin geklungen, aber ganz sicher war Mathilda sich nicht. Allerdings spielte es auch kaum eine Rolle, wer sie rief. Hauptsache war, dass sie nun an der Reihe war.
    Eilends ergriff sie den Packen an frischer Kleidung, den sie auf dem Bett zurechtgelegt hatte, und machte sich auf den Weg.
     
    Als sie die Tür zum Vorraum des Badhauses öffnete, schlug ihr feuchtwarmer und herrlich sauberer Dunst entgegen. Und – eigenartigerweise – gelöstes Gelächter.

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