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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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getragen hatten, doch auf einmal war sie nur noch leer und klein. Sie fühlte sich jämmerlich und traurig und erschöpft.
    „So etwas wie du ist mir noch nie untergekommen.“ Mutter Örtlerin hatte die Augen leicht zusammengekniffen und starrte Mathilda an. „Ich bin ja schon lange im Kloster, aber eine solche Widerspenstigkeit ist mir bisher noch nicht begegnet. Was mache ich nur mit dir?“ Sie wiegte den Kopf und schien intensiv nachzudenken.
    Das klang nach einer schweren Strafe. Mathilda hielt sich bereit – und japste erstaunt auf, als sie die weiteren Worte hörte:
    „Du wirst wieder lesen während des Mittagessens“, entschied die Äbtissin plötzlich. „Eine ganze Woche lang.“
    Mathilda sah sie misstrauisch an. War das ihr Ernst? Aber dann fiel ihr ein, Mutter Örtlerin ahnte nichts davon, dass sie während des Unterrichts verköstigt wurde. Sie bemühte sich also, ihr erleichtertes Lächeln zu verbergen, neigte leicht ihren Kopf, wie sie es bei Elisabeth und Katharina gesehen hatte, und setzte sich auf ihren Platz. Sie musste sich jetzt erst einmal sortieren.
    „Lasset uns beten“, übernahm nun die Priorin das Wort und zwang damit alle Nonnen auf die Knie. „Und lasset uns dem Herrn danken, dass der Gerechtigkeit wieder einmal Genüge getan worden ist.“
    Gerechtigkeit! Mathilda musste an sich halten, um nicht zu schnauben. Im Gegensatz zu zuvor jedoch, wo ihr Zorn die Regentschaft über sie innegehabt hatte, schaffte sie es, sich zurückzuhalten. Sie war gut davongekommen. Eigentlich am besten von ihnen allen. Aber sie war ja auch wirklich unschuldig. Zumindest an dem, was ihr vorgeworfen worden war. Nicht jedoch daran, was Katharina nun ertragen musste.
    Mathilda warf ihr einen schnellen Blick zu. Die sah zwar sehr unglücklich aus, aber Mathilda war sicher, dass die Strafe damit nichts zu tun hatte. Das einzige, was Katharina auf dieser Welt interessierte, war die Tatsache, dass Elisabeth ab sofort unerreichbar auf der Krankenstation wohnen würde.

Montag, 2. Januar 1522
    Zwei Röcke – zwei Decken
     
    Er antwortet vnd sprach zu jnen: Wer zween Röcke hat, der gebe dem, der keinen hat. Vnd wer Speise hat, thue auch also.
    Neues Testament, Lukas 3, 11
     
     
    Drei weitere Nächte lang fror Mathilda. Alles was in irgendeiner Weise wärmend war, lag schon längst auf ihrem Bett aufgetürmt. Selbst dem Trösterlein hatte sie das Gewand geraubt und samt ihren dünnen Hauben auf das Fußende ihres Bettes gelegt. Mantel und Schuhe behielt sie weiterhin an, wenn sie zu Bett ging. Und dennoch tauten ihre eisigen Glieder nicht richtig auf. Deswegen schlief sie schlecht und war tagsüber entsprechend gerädert.
    Am vierten Abend, sie wollte gerade unter ihren Berg an Kleidung und Decken schlüpfen, pochte es leise an ihre Kammertüre. Zweimal, dann eine kurze Pause und wieder zweimal. Katharinas Zeichen.
    Erfreut öffnete Mathilda und umarmte die Freundin. „Du hast mir gefehlt“, sagte sie.
    „Du mir auch“, raunte Katharina, „Es waren drei lange Tage, so alleine in meiner Zelle.“
    „Tut mir unendlich leid, dass ich dich da mit reingeritten habe.“ Mathilda sah Katharina flehentlich an. „Kannst du mir das verzeihen?“
    „Ich weiß noch genau, wie es mir anfangs im Schuldkapitel gegangen ist.“ Katharina lächelte und sah kein bisschen böse aus. „Man muss sich erst daran gewöhnen, dass man gar nichts zur eigenen Verteidigung sagen oder tun darf.“
    Man musste sich daran gewöhnen? „Das will ich überhaupt nicht.“ Argwöhnisch zog Mathilda die Augenbrauen nach oben. „Es ist ganz furchtbar, dass man sich ohne Rechtfertigung einfach auf den Boden legen und behaupten muss, dass man schuld sei, egal woran.“
    „Nimm es nicht so ernst, dann geht es“, erwiderte Katharina und machte eine beschwichtigende Handbewegung. Plötzlich strahlte sie. „Aber höre, ich habe richtig gute Neuigkeiten bekommen.“
    „Elisabeth?“, fragte Mathilda sofort. „Ist sie wieder da?“
    „Nein, das ist es nicht, was ich erzählen wollte.“ Ein Schatten flog über Katharinas Gesicht. „Seit dem letzten Schuldkapitel hab ich von ihr nichts mehr gehört. Es ist was anderes. Ich habe auch eine neue Aufgabe bekommen.“
    Und wieder strahlte sie. Es musste also etwas wirklich Gutes sein.
    Gespannt sah Mathilda sie an: „Nun sag schon.“
    „Stell dir vor, Mutter Örtlerin war heute Abend bei mir. Sie sagte, sie habe eine neue Arbeit für mich, eine richtige Herausforderung.“ Katharina

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