Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
Vom Netzwerk:
Bettdecke. Aber unter dem Haupt ist zu haben ein Kissen überzogen mit Leinentuch und ein Hauptkissen desgleichen überzogen.
    Aus den Klosterregeln der Heiligen Birgitta
     
     
    Nach einem langen und milden Herbst war es erst Anfang Dezember kälter und kälter geworden. Seit Weihnachten herrschte Dauerfrost. Bisher war zwar nur wenig Schnee gefallen, aber die dünne Schicht, die sich weiß und leicht über die Landschaft gelegt hatte, ließ alles in einem reineren Licht erscheinen.
    Die ohnedies nicht laute Welt des Klosters war am Christfest noch leiser geworden. Wäre da nicht die Mette gewesen, die sie mitten in der Nacht in der feierlich beleuchteten Kirche gefeiert hatten, und die ruhigen Tage danach, die ohne Arbeit und leider auch ohne Unterricht, aber bei reichlichem und gutem Essen vergangen waren – Mathilda hätte Weihnachten nicht wiedererkannt. So sehr unterschied sich das Christfest hier im Kloster vom fröhlichen Treiben im Hause ihres Vaters.
    Allerdings waren ihr sowohl die konventualen Abläufe als auch die eisige Schönheit draußen mittlerweile völlig egal. Sie hatte eine andere Sorge. Denn inzwischen hatte sich die Kälte im Gebäude bis in jede kleinste Ritze hin ausgebreitet. Durch jedes Fenster zog es, sie fror fast immerzu. Dabei trug sie bereits ihre wärmste Kleidung. Doch selbst das wollene Unterkleid, die warme Kutte darüber, das dickste ihrer Skapuliere, die gefütterten Stiefeletten – und ihr fellunterfütterter Tuchmantel, den sie nur noch auszog, wenn sie einen Platz in der Nähe des Feuers hatte, konnten der Kälte nicht trotzen.
    Die Nächte waren ganz besonders schlimm. Die beiden dünnen Wolldecken in ihrem Bett reichten nicht hinten und nicht vorn. Deswegen war sie dazu übergegangen, die Kutte auch nachts nicht mehr auszuziehen. Mit minderem Erfolg.
    Schließlich hatte sie, wenn sie schlafen ging, sogar ihren Mantel anbehalten und ihre Schuhe. Das ging so einigermaßen, aber richtig mollig war ihr auch damit nicht. Wenn es noch kälter würde – würde sie dann erfrieren? Sie musste unbedingt um eine dickere Decke bitten.
    Morgens war auf dem Wasser im Krug eine Eisschicht. Alles wurde schwierig. Wie sollte sie sich in dieser Kälte waschen? Sehnsüchtig dachte sie an den Badetag zurück, einen Tag vor Weihnachten. Wie wunderbar warm war ihr da doch gewesen. Warm war ihr jetzt eigentlich nur noch während der Holzschlepperei am Vormittag und im Studierzimmer, bei Pater Arno. Der Raum war klein genug, dass das Feuer im Kamin ihn erwärmen und Mathilda ihren Mantel ablegen konnte. Es wurde dort immerhin so warm, dass ihre ewig steifen Finger auftauten und sie ihre Zehen wieder spürte. Im Refektorium und auch im Kapitelsaal jedoch ... Obwohl die Kaminfeuer darin jetzt Tag und Nacht brannten, blieben die großen Säle wahre Eishöhlen. Zumindest wenn man, wie Mathilda, nicht in unmittelbarer Nähe des Feuers saß.
     
    Seufzend machte sie sich auf den Weg von der Bibliothek zurück in den Frauenkonvent. Die gute und warme Zeit des Tages war vorüber, jetzt stand, wieder einmal, das elende Kapitel an. Sie hoffte inständig, dass Mutter Örtlerin sich heute, wie gestern und auch vorgestern, mit der Lesung aus Birgittas Regelwerk zufriedengeben würde. Doch eigentlich war ihr klar, dass es zu einer oder mehreren Anklagen kommen würde. Alle paar Tage war es soweit. Das letzte Mal, vor drei Tagen, war Katharina dran gewesen. Weil sie nach Beginn des Nachtsilentiums im Korridor gesehen worden war.
    Mathilda konnte es noch immer nicht fassen. Katharina hatte keine Regel verletzt und nichts Unrechtes getan. Dass sie etwas Verbotenes vorgehabt hatte, nämlich zu Elisabeth zu gehen, stand doch auf einem ganz anderen Blatt. Fand Mathilda zumindest. Die Äbtissin schien es aber anders zu sehen und hatte der Klage von Schwester Steudlin zugestimmt. Katharina hatte also vorgestern einen Fastentag einlegen müssen, den sie allerdings unbeschadet und munter wie eh und je überstanden hatte.
    Ebenfalls vorgestern, im Zuge eines Gespräches mit Mutter Örtlerin, in dem es wieder einmal darum gegangen war, dass Mathilda einfach zu lebhaft sei, sich nicht angemessen langsam und leise bewege, sodass ihr Verhalten angeblich Anstoß zu verschiedenerlei Klagen gegeben habe, hatte sie die Gelegenheit ergriffen und davon berichtet, Nacht für Nacht bitterlich zu frieren. Daraufhin hatte die Äbtissin sie lediglich auf die Birgittenregel hingewiesen.
    Mathilda kannte Regel Nummer zwei inzwischen

Weitere Kostenlose Bücher