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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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Alles, was sie wahrnahm, war das Schwirren der Empörung über diese Ungerechtigkeit. Sie hatte nichts falsch gemacht. Ganz im Gegenteil.
    „Ich habe Edeltraud geholfen, weil sie Angst hatte!“
    „LEG DICH HIN!“
    Da gab Mathilda nach und sank zu Boden, fühlte den kalten Stein unter ihren Händen, unter ihrem Kinn.
    „Was hast du zu sagen?“
    Wenigstens brüllte die Örtlerin nicht mehr. Aber was sollte sie zu sagen haben?
    „Nichts“, sagte sie.
    „MATHILDA!“
    Ging dieses Geschrei schon wieder los? Mathilda hob den Kopf. „Ich habe nichts Unrechtes getan.“
    „Ich bin schuld“, fuhr fast gleichzeitig eine Stimme direkt neben ihr auf.
    Mathilda fühlte eine Bewegung nah bei sich und plötzlich lag Katharina neben ihr.
    „Ich habe Schwester Mathilda aufgestachelt“, sagte sie. „Ich trage die Verantwortung dafür, dass sie aufsässig ist.“
    „Spinnst du jetzt?“, fragte Mathilda, den Kopf zu Katharina gewandt und bemühte sich nicht einmal darum, leise zu sein.
    „Halt endlich den Mund“, hauchte Katharina sie an. „Du machst alles nur schlimmer. Sag, dass du schuld bist, und sei still, bis es vorbei ist.“
    Da endlich senkte Mathilda den Kopf und legte die Stirn auf den Boden. „Ich bin schuld.“
     
    Es dauerte endlose Momente, bis alle Stimmen im Saal verstummt waren. Mathilda hatte ausreichend Gelegenheit sich zu fragen, warum um alles in der Welt sie sich immer so davor gefürchtet hatte, hier zu liegen? Alles, was sie gerade fühlte, war Empörung, Wut und Trotz. Mochten die sie jetzt auch strafen oder sogar schlagen – sie wusste schließlich, dass sie keinerlei Fehler begangen hatte.
    Und noch immer dauerte das Schweigen an. Mathilda überlegte, ob sie noch einmal widersprechen sollte, ob sie ihrer Empörung Luft machen sollte, und erklären, dass sie sich nie, niemals diesen ... dämlichen Regeln beugen würde. Doch dann drang in ihr wütendes Hirn, dass nicht nur sie dadurch tiefer in Schwierigkeiten geraten würde. Katharina lag hier neben ihr. Und das ganz offensichtlich, weil sie ihr helfen wollte. Auch wenn Mathilda die Art dieser Hilfe ganz und gar nicht verstand.
    „Hat noch jemand eine Klage vorzubringen?“, fragte schließlich die deutlich ermattete Stimme der Äbtissin irgendwo über ihr.
    Niemand regte sich.
    Mathilda roch Stein und Staub, fühlte die Kälte des Bodens brennend an ihrem Körper, ein Sandkörnchen drückte gegen ihre Stirn. Sie hatte die Augen geschlossen und stellte sich vor, zu fliegen. Wie die Elster, die sie auf dem Klosterdach gesehen hatte. Über Felder und Bäume, über das Kloster hinweg, das sie nicht mehr interessierte. Sie flog und fühlte sich so frei!
    „Steh auf.“ Katharinas Arm war an sie geschrammt.
    Mathilda riss die Augen auf und sah, dass die bereits auf den Knien war.
    „Sollte man das für möglich halten“, hörte sie die Äbtissin irgendwo über sich murmeln. „Erst kriegt man sie nicht auf den Boden und dann nicht wieder hoch.“
    Eilig rappelte Mathilda sich auf. Und sah sich einer eisigen Front von Augen gegenüber.
    „Elisabeth Jordanin“, fuhr die Äbtissin im Ritual fort. „Dir zur Sühne – und damit du die zwischenmenschliche Nähe erhältst, nach der du dich so sehnst, wirst du ab sofort die Infirmarin auf der Krankenstation unterstützen. Du wirst dort wohnen und deine Arbeitszeit verbringen. Die Gebetszeiten, Mahlzeiten und Rekreation wirst du nur dann in der Konventsgemeinschaft verbringen, wenn die Infirmarin dich für abkömmlich hält.“ Die Äbtissin sah einen Moment nachdenklich vor sich hin. Dann hob sie den Kopf. „Diese Weisung gilt bis auf Weiteres.“
    Elisabeth sah mit dankbarem Gesicht auf, neigte demütig den Kopf und setzte sich wieder auf ihren Platz.
    „Katharina Greulichin“, fuhr die Äbtissin fort. „Du wirst zur Sühne, dich aufwieglerisch betätigt zu haben, drei Tage lang von allen Konventsangelegenheiten ausgeschlossen werden. Die Mahlzeiten werden dir auf deine Kammer gebracht und auch die Gebetszeiten wirst du dort verbringen, alleine betend.“
    Das war keine schlimme Strafe. Zumindest nicht für Katharina. Mathilda wusste, dass sie keinerlei Angst vor dem Teufel hatte. Sie würde diese drei Tage leiden, weil sie mit niemandem sprechen konnte, aber sie würde sich nicht fürchten.
    Auch Katharina neigte ihren Kopf wortlos und demütig und setzte sich zurück auf ihren Platz. Jetzt stand nur noch Mathilda. Sie bemühte sich um den Trotz und die Wut, die sie die ganze Zeit über

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