Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
Vom Netzwerk:
unter die Decke zurück. Jetzt war alles erzählt.
    „Tja“, sagte Katharina schließlich. „Leider scheint der Klostereintritt bei uns beiden keine Berufung gewesen zu sein.“
    Mathilda musste wider Willen auflachen. Nein, sie war ganz gewiss nicht berufen. Und Katharina auch nicht. Dennoch, das gab es. Edeltraud war berufen, Elisabeth wohl auch. Auch Mutter Örtlerin – und Pater Arno natürlich! Sie seufzte tief auf. Es war sicher einfacher hier zu leben, wenn man berufen war.

Mittwoch, 4. Januar 1522
    Es war einmal … ein Kloster
     
    Wenn ein Bruder, der aus eigenem irregeleiteten Entschluss aus dem Kloster ausgetreten ist, wieder zurückkehren will, so möge er zuerst umfassende Besserung für das geloben, weswegen er ausgetreten ist. Er werde aufgenommen als Letzter im Rang, damit seine Demut dadurch unter Beweis gestellte werden kann.Wenn er nun von Neuem weggeht, wird er auf diese Weise wieder  aufgenommen. Aber im Wissen, dass ihm nach der dritten Rückkehr der Zutritt verweigert werden wird.
    Aus den Regeln des Heiligen Benedikt von Nursia
     
     
    Mathilda war die Letzte in der langen Schlange von Nonnen, die sich, von der Äbtissin angeführt, durch den Finsteren Gang hinüber zum Skriptorium bewegte. Und wieder war sie verwundert ob der Geräuschlosigkeit, mit der sich diese Frauen fortbewegten. Auf Mathilda wirkte das immer wieder unheimlich. Der lange schmale Gang war fast vollständig mit Nonnen gefüllt, aber zu hören war nichts als leise trappelnde Füße und ab und zu raschelnder Mantelstoff. Kein Wort, kein Lachen, auch wenn heute eine ungewohnte Spannung in der Luft lag.
    Die Äbtissin, als Einzige mit einer Lampe ausgestattet, war schon weit voraus, würde gleich um die Ecke biegen und dann auf den Ausgang zugehen. Ihr folgte die Priorin und dann ging es nach Eintrittszeit in den Konvent weiter. Schwester Hutterin, Schwester Klöblin, Schwester Wintershofferin, Schwester Weilerin, Schwester Rupprechtin ... Direkt vor Mathilda ging Katharina. Mathilda konnte sie von hinten kaum sehen, alles an ihr war grau und schwarz.
    Überhaupt – das war Mathilda schon einige Male aufgefallen, die Nonnen sahen von hinten verstörend gleich aus. Ob sie Mutter Örtlerin vor sich hatte oder Katharina, konnte sie nur mittels eines scharfen Blickes auf Figur – soweit sich die unter Kutte und Skapulier erahnen ließ – und Größe erkennen. Mit Sicherheit feststellbar war nur, ob es sich um eine Laienschwester oder eine Chorfrau handelte. Der Rest blieb oft genug reine Spekulation, bis sie einen Blick in das Gesicht derjenigen werfen konnte.
    Mathilda machte ein paar schnelle Schritte nach vorn auf Katharina zu und raunte ihr ins Ohr: „Hast du Elisabeth irgendwo gesehen?“
    Sie fühlte Katharinas sofortiges Kopfschütteln.
    Seit dem Schuldkapitel letzte Woche war Elisabeth nicht mehr aufgetaucht. Weder zu den Andachten und Gottesdiensten noch zu den Mahlzeiten. Und natürlich auch jetzt nicht.
    Nur die Infirmarin, Schwester Waczenrieder, war wieder häufiger anwesend. Mathilda hatte sie beim Aufstellen ziemlich weit vorn in der Schlange gesehen.
    Natürlich tat ihr Katharina leid, denn es war deutlich zu bemerken, dass sie litt. Dennoch, ein Teil von Mathilda war froh, dass es genau so war. Wäre Elisabeth da, würde Katharina ihre Nächte gewiss lieber mit ihr verbringen. So aber kam sie Abend für Abend zu Mathilda. Sie plauderten, lachten und schliefen warm aneinandergeschmiegt. Der dadurch verbesserte Schlaf machte Mathilda tagsüber wieder deutlich  leistungsfähiger. Munter, wie sie war, konnte sie sich jetzt richtig auf den Vortrag freuen.
     
    Als sie den Korridor zum Skriptorium erreichte, kam die Schlange der Nonnen ins Stocken. Mathilda reckte sich auf die Zehenspitzen und konnte die eifrig winkende Äbtissin entdecken, die einzelne Nonnen per Handzeichen in den Raum befahl, während andere draußen bleiben mussten. Nun, zumindest brauchten weder Katharina, Edeltraud noch sie sich die geringsten Gedanken darüber machen, wo sie während des Vortrages verbleiben würden.
    Sie warf einen Blick durch den Flur. Hier war sicher genug Platz. Weniger sicher war allerdings, wie weit Bruder Sandizells Stimme auf den Korridor herausdringen würde. Unter Umständen würde sie nichts oder fast nichts hören können. Das wäre jammerschade.
    Die anderen Nonnen am Ende der Schlange schienen in ihren Überlegungen zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen zu sein und drängten weiter, nach vorn, auf die

Weitere Kostenlose Bücher