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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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nichts Merkwürdiges daran finden, wenn Männer und Frauen zusammenlebten. Selbst hier war das doch so. Nun ja, richtig zusammen waren sie hier nicht, eher sorgfältig voneinander getrennt. Nur sie stellte eine Ausnahme dar. Wahrscheinlich war sie die einzige, die je den Skriptoriumteil der Männer betreten hatte.
    „Bruder Sandizell!“, tönte da die unwirsche Stimme der Äbtissin durch die Türe heraus. „Würdet Ihr Euch bitte auf das Wesentliche beschränken, statt hier einen Disput zu beginnen?“
    Das Getuschel ringsum erstarb.
    „Euer Wunsch sei mir Befehl.“
    Bruder Sandizells Stimme war anzuhören, dass er dabei lachte. Mathilda konnte sich die vor Ärger fest zusammengekniffenen Lippen der Äbtissin angesichts seiner respektlosen Worte sehr gut vorstellen und begann zu lächeln. Dies hier war wirklich interessant. Bruder Sandizell erinnerte sie von Wortwahl und Tonfall her an den Prior. Der neigte ebenfalls dazu, sich ein bisschen derb über die Gefühle anderer hinwegzusetzen. Zumindest hatte Mathilda noch keinen anderen Beichtvater während der Beichte laut lachen hören. Nicht bei ihr selbst. Aber sie hatte Elisabeth einmal mit hochrotem Kopf und ziemlich verstört aus dem Beichtstuhl stürzen sehen, während ihr Prior Palgmachers Gelächter gefolgt war.
    „Alto sagt man nach, dass er Wunder gewirkt habe.“ Sandizell hatte sich von seinem Heiterkeitsausbruch erholt und sprach mit laut tönender Stimme weiter.
    „Da gab es zum einen das Brunnenwunder. Als es an Wasser mangelte, fuhr Alto mit seinem Stab in den Boden, wo sich sogleich eine Quelle auftat, die bis heute nicht mehr versiegt ist.“
    Mathilda nickte. Sie hatte schon davon sprechen hören, dass das Brunnenhaus des Frauenkonvents eine Nebenstelle der Altoquelle sei, die sich im Männerkonvent befinde.
    „Stellt euch nur einmal vor, diese Quelle durften ausschließlich die Männer benutzen. Die Frauen konnten zusehen, woher sie ihr Wasser bekamen.“ Sandizell lachte dröhnend. „Dieser Alto war doch kein so großer Frauenfreund, wie mir scheint.“
    Seine Stimme versank kurzfristig im lauter werdenden Gemurmel der Vortragsteilnehmer. Mathilda meinte, die Schönin herauszischen zu hören.
    Doch da meldete sich Bruder Sandizells Stimme wieder: „Alto werden aber noch mehr Wunder zugeschrieben. Das Rodungswunder zum Beispiel. Um Kloster und Kirche bauen zu können, musste sehr viel Wald gerodet werden. Alto markierte die Bäume, die zu fällen waren, mit seinem Messer. Daraufhin fielen die sofort zu Boden.“
    Wieder wurde das Gemurmel lauter. Diesmal eindeutig verwundert.
    „Ich weiß, die Bäume zu zerhacken, war auch noch viel Arbeit“, übertönte Sandizell sie schließlich. „Aber lassen wir Alto doch sein Rodungswunder und wenden uns dem nächsten und letzten zu, dem Kelchwunder. Als nämlich reichlich Wasser aus der fleißig sprudelnden Quelle getrunken und die Kirche gebaut war, feierte Alto seine Heilige Messe dort. Und da geschah es, dass das segnende Jesuskind aus dem hochgehaltenen Kelch emporstieg.“
    Diesmal dauerte es eine ganze Weile, bis sich die Äbtissin mit Händeklatschen und Räuspern gegen das erregte Stimmgewirr durchgesetzt hatte.
    „Ich muss doch sehr bitten! Wir sind in einem Vortrag!“
     
    Mathilda konnte nur den Kopf schütteln. Jesus sollte aus dem Kelch gestiegen sein? Sie stellte sich ein Trösterpüppchen vor, das in einem Messkelch hockte. Dieser Gedanke war eher erheiternd als wunderbar. Aber die Nonnen vor ihr sahen das wohl anders und staunten ehrfürchtig und ergriffen vor sich hin. Sogar Edeltraud. Mathilda konnte sehen, wie sie, die gefalteten Hände bis vor den Mund gezogen, vor innerem Glück erstrahlte. Lediglich Katharina sah ebenso unberührt aus wie sie.
    „Mäßigt Euch und schweigt nun!“
    „Ach Mutter Örtlerin, nun lasst den Nonnen doch ihren Spaß.“
    Diesmal hatte sie Prior Palgmachers Stimme eindeutig erkennen können. Er war also tatsächlich ebenfalls da. Der ganze Konvent schien heute hier versammelt zu sein. Alle, bis auf Elisabeth – und Pater Arno.
    Es war wieder ruhig geworden und Sandizell setzte seinen Vortrag fort: „Dieses Kloster wurde durch die Ungarnkriege zwar zerstört, dennoch, den geweihten Klosterplatz, die Quelle und die ersten Siedler gab es bereits. Es war um 970, als die Welfen beschlossen, auf den Fundamenten des zerstörten Klosters ihr Hauskloster zu errichten, eine Benediktinerabtei. Zunächst einmal für Mönche.“
    Mathilda versuchte, einen

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