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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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weit offen stehende Eingangstüre des Skriptoriums zu.
    Mathilda konnte nicht in den Raum sehen, aber zu ihrer Beruhigung drang die sich nun erhebende Stimme klar an ihre Ohren:
    „Ich freue mich, dass sich so viele Ordensmitglieder für die Geschichte unseres Konvents interessieren und der Einladung unseres Priors gefolgt sind.“
    Das war doch Pater Arnos Stimme, die angenehm und volltönend aus dem Raum drang. Er war also auch da. Ging es ihm wieder besser? Das war schön! Mathilda hatte deutlich vor Augen, wie er wohl gerade dastand, Hände und Kinn leicht angehoben, die Augen weit offen und auf einen Punkt irgendwo jenseits der Saalwand gerichtet.
    „Und hiermit übergebe ich unserem geschätzten Bruder Wolfgang von Sandizell das Wort.“
    In die Nonnen vor Mathilda kam Bewegung, sie schoben plötzlich nach hinten. Hastig wich Mathilda zurück, um nicht getreten zu werden. Schließlich konnte sie den Grund für die Unruhe erkennen: Durch die Tür heraus auf den Flur kam Pater Arno. Er hielt die Augen gesenkt, sah keine der Nonnen an, wartete stets, bis ihm Platz zum Weitergehen gemacht worden war, ehe er den nächsten Schritt tat.
    Aber was wollte er? Ging er bereits? Wie schade! Mathilda hatte die Vorstellung, wie er dasitzen und lauschen würde, sehr gut gefallen.
    Das Skriptorium selbst mochte ja zweigeteilt sein, aber an der Eingangstüre berührten sich die beiden Hälften. Der rechte Teil der doppelflügeligen Türe führte in den Frauenteil, der linke in den der Männer. Da beide Flügel jetzt weit geöffnet waren, war der Zugang zum Skriptorium der Mönche genauso von Nonnen verstellt wie der für die Frauen. Und deswegen war es für Pater Arno nicht so einfach, den Raum zu verlassen.
    Mathilda wich ebenfalls zur Seite, als er näherkam.
    Er, der die ganze Zeit die Augen gesenkt gehalten hatte, hob sie in genau dem Moment, als er sie passierte.
    Sie lächelte ihn an, erfreut, dass er sie bemerkte. Seine Aufmerksamkeit war etwas, was sie furchtbar gerne hatte und was sie seit Wochen allzu oft vermisste. Weil er sich ständig vor ihr zurückzog.
    Aber auch jetzt schoss Pater Arnos Blick sofort wieder von ihr weg. Damit bestätigte er einmal mehr ihren Verdacht, dass seine Zurückhaltung mit ihr zu tun hatte. Das schmerzte sie. Immer wieder und ständig mehr. Mathilda wollte seine Aufmerksamkeit, sein Wohlwollen und sein Lächeln. Es war ihr ein Rätsel, warum sie beides verloren zu haben schien.
    Einen Wimpernschlag, nachdem sie in seine Augen gesehen hatte, war er auch schon vorüber. Mathilda wandte den Kopf und sah ihm nach, wie er auf die Treppe zuhastete und sie eilends hinabstieg. Diesmal konnte sein Weggehen doch aber nichts mit ihr zu tun haben. War er womöglich doch noch immer indisponiert, hatte Kopfschmerzen?
    „Ich freue mich über diese große Aufmerksamkeit“, drang in diesem Moment eine hellere, nicht so volle Stimme aus dem Skriptorium. Das musste Bruder Sandizell sein, der seinen Vortrag gerade begann. „Die Geschichte unseres Klosters ist mehr als interessant, sie ist geradezu faszinierend. Sie begann schon vor achthundert Jahren, um siebenhundertdreißig, als ein Einsiedler, genannt Alto, sich genau hier, wo es damals nur Wald gab, eine Eremitenzelle baute. Er wollte sein Leben in Einsamkeit und Andacht verbringen. Doch im Laufe der Jahre fanden sich Menschen, die seinem Beispiel folgten und sich in seiner Nähe ebenfalls kleine Zellen bauten. König Pippin schenkte Alto schließlich das Land, damit er aus den im Wald verstreuten Zellen ein Kloster errichte. Das war der Anfang. Ein paar bescheidene Gebäude, in denen die Menschen um Alto lebten, eine kleine Kirche und sonst nichts.“
    Seine Stimme war leiser geworden und Mathilda musste sich anstrengen, um sie dennoch zu hören. Schließlich verstummte sie vollends – um sich mit einem herzhaften Lacher erneut zu erheben.
    „Doch, doch, Alto hat Männer und Frauen aufgenommen. Er machte da keinen Unterschied. Ihm ging es damals nur um die Hinwendung zu Gott. Die wollte er niemandem verwehren.“
    Jemand in Mathildas Nähe schnaubte: „Männer und Frauen? Das geht doch nie gut!“
    Eine andere, laute Männerstimme rief: „Alto war wohl ein Frauenfreund.“ Dann lachte derjenige anzüglich. „Das wird schon ein rechtes Kloster gewesen sein!“ Das hatte sehr nach Prior Palgmacher geklungen.
    Danach jedoch wurden mehrere Stimmen laut, einzelne Rufer waren nicht mehr herauszuhören.
    Mathilda schüttelte den Kopf. Sie konnte

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