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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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sie erneut.
    Danach zitterten ihre Beine vor Anstrengung. Doch sie begann ein viertes Mal und betete – bis sie umfiel, weil ihre Beine und ihre Hüfte sich auf einmal verkrampften, nachgaben und wegsackten.
    Stöhnend vor Schmerzen blieb sie auf dem Fußboden liegen. Gott war nicht gekommen, hatte ihr keinen Rat gegeben, hatte sie weder geleitet noch begleitet. Von ihm würde sie keine Antworten bekommen. Sie war alleine. Sie war so verdammt alleine. Hier, mitten unter Nonnen, war sie der einsamste Mensch der Welt!
    Die Empörung verschaffte ihr neue Energie und sie zog sich hoch, versuchte aufzustehen. Sie würde alleine mit dieser Situation klarkommen. Es war doch ganz einfach, oder?
    Nicht so einfach, sogar unmöglich war es ihr jedoch, auf die Füße zu kommen und so kroch sie schließlich auf ihren wunden Knien zum Bett, zog sich darauf und deckte sich mühsam zu.
    Sie hatte Gefühle für Arno, so viel war klar. Und es war mehr als die Freundschaft, die sie mit Katharina verband. Schließlich war er es, der die ganze Zeit bereits in ihrem Herzen gewesen war, nach dem sie sich gesehnt hatte. Das war auch klar. Aber darüber hinaus gab es nichts, aber auch gar nichts, was klar war. Sie würde also mit ihm sprechen müssen, ihn fragen ...
    Ihn fragen? Willst du Wahnsinnige hingehen und deinen Lehrer und Beichtvater fragen, ob er dich vielleicht liebt?
    Aber was könnte sie sonst tun?
    Er mag dich ja lieben, aber er ist Priester. Niemals wird er sein Priesteramt aufgeben, um dich ... Denk an Sebastian.
    Sie ließ den Kopf hängen. Das exakt war der Punkt. Und deswegen war alles, was sie denken oder tun würde, völlig aussichtslos. Arno war ein Diener Gottes, und alles, was er ihr sagen könnte, wäre, sie solle ebenfalls Gott alleine dienen. Das, was er selbst die ganze Zeit bereits tat. Und auch von ihr verlangt hatte.
    Es gab also nur alleine sie – und Gott.

Realer Schmerz
     
     
    Der Gedanke daran hatte ihn während des restlichen Tages aufrecht gehalten. Trieb ihn in seine Kammer, ließ ihn noch im Gehen Mantel, Kutte und Hemd von sich werfen und beide Türen seines Schrankes aufreißen. Niederkniend beugte er sich hinein.
    Er hatte sie lange nicht mehr benutzt – in der allerersten Zeit im Studium, als er noch daran geglaubt hatte, sich alle Schuld auf diese Weise austreiben zu können. Je mehr er zum Priester geworden war, desto mehr war sein Leben davor in den Hintergrund gerückt – und als er hier in Altomünster eingetreten war, hatte er sich bereits nichts mehr vorzuwerfen gehabt.
    Aber er hatte sie mitgebracht, seine Geißel, sie hinter den Schuhen ganz zuunterst im Schrank verstaut und dann nie mehr daran gedacht.
    Bis heute.
    Triumphierend kam er wieder auf die Beine und wog das Gerät in der Hand. Selbstgeißelung war eine gängige und angesehene Methode hier im Männerkonvent. Palgmacher als Generalbeichtvater neigte dazu, sie eher anderen zu empfehlen, als sie bei sich selbst anzuwenden – aber Arno wusste von mehreren Brüdern, dass sie sie praktizierten. Während er selbst ...
    Wenn es möglich wäre, unwillkommene Gedanken, Gefühle und Taten so einfach aus sich herauszuschlagen, hätten es einige hier nicht nötig, sich wieder und wieder zu peitschen. Wie bei allen auferlegten Bußen bestand eben die Gefahr, diese als Ausrede zu nehmen, weiterhin sündigen zu können.
    Arno dagegen wollte seine Sünde in sich aufrichtig ausmerzen. Genau wie damals. Aber so einfach ist es eben nicht! Er hatte noch sehr genau im Gedächtnis, wie lange die über Monate wieder und wieder aufgerissenen Striemen auf seinen Schultern gebraucht hatten, bis sie schließlich verheilt waren – und es hatte sehr viel länger gedauert, bis seine Seele einigermaßen über seine Schuld hinweggekommen war.
    Aber jetzt – jetzt würde er es erneut versuchen. Schaden konnte es jedenfalls nicht.
    Er stellte sich fest auf beide Beine und konzentrierte sich auf die Kälte auf seiner Haut, ehe er das im Dunkeln kaum zu erkennende Gesicht Jesu am Kreuz fixierte und tief Luft holte. Legte all seine Kraft in seinen rechten Arm und schlug zu. Presste die Lippen aufeinander, um das Aufjapsen zu unterdrücken. Das Geräusch der aufprallenden Lederknoten war beeindruckend. Der Schmerz willkommen. Die Hitze, die sich zeitverzögert zwischen seinen Schultern ausbreitete. Die er zunächst auskostete. Ehe er sich von Neuem konzentrierte.
    Nach ein paar Hieben verging das Brennen nicht mehr, und der Schmerz hörte auf, effektiv zu

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