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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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gefangenen Maulwurf. Es war die Beichte gerade eben. Das, was Pater Arno gesagt und gefragt hatte.
    Mathilda wedelte mit der Hand vor dem Gesicht herum. Nein, das war es auch nicht. Nicht ganz zumindest. Es war das, was Pater Arno ungesagt gelassen hatte. Was aber zwischen seinen entgeisterten Worten, seinen Verdächtigungen, seinen Fragen und Anschuldigungen deutlich sichtbar geworden war. Es war das, was die letzten Wochen, das Gefühl der Unsicherheit, das sie gehabt hatte, ihre Ratlosigkeit, die quälenden Zweifel, ihre ganze Ungewissheit – kurz: alles – mit einem Schlag in einem völlig neuen Licht erschienen ließ.
    Pater Arno war ihr tatsächlich aus dem Weg gegangen. Und er hatte wirklich Georg vorgeschickt. Mit seinen Gefühlen gespielt. Den armen Jungen immer mehr irritiert.
    Endlich verstand sie, warum. Warum hatte sie das nicht eher gesehen? So klar wie jetzt? Warum hatte sie die Zeichen so falsch gedeutet? Warum hatte sie nach Fehlern bei sich gesucht? Dabei war es gar nicht sie gewesen.
    Nun ja, natürlich war es sie gewesen, aber völlig anders, als sie es sich hatte vorstellen können.
    Weil er selbst ... Nein, Mathilda konnte nicht weiter denken. Es war einfach zu ungeheuerlich. Aber genau so passte endlich alles zusammen. Endlich ergaben die einzelnen Vorkommnisse ein Bild von einem gesamten Ganzen. Es war die ganze Zeit nicht um Georg gegangen. Und auch nicht um Hartwig. Sondern um ihn, Arno, selbst. Er hatte sie mit Georg zusammengebracht und darauf bestanden, dass sie zusammenarbeiteten, obwohl er gleichzeitig deutlich gezeigt hatte, wie wenig recht ihm das alles gewesen war.
    Mathilda rieb sich über die Augen, über die Stirn. Warum hatte sie das nicht gesehen? Pater Arno war es. Nicht Georg, nicht Hartwig.
    In plötzlicher aufwallender Wut sprang Mathilda zur Türe und trommelte bei jedem Wort auf sie ein: „Und – du – hast – mir – die – ganze – Zeit – das – Gefühl – gegeben – etwas – falsch – zu – machen!“
    Ach, jetzt taten ihr die Fäuste weh. Mit einem wilden und empörten Aufschluchzer warf sie sich aufs Bett und trommelte auf das entschieden weichere Kissen ein. „Du – bist – mein – Lehrer. – Sag – was – soll – ich – jetzt – tun?“
    Ja, was war jetzt? Überhaupt? Mit dem Unterricht, mit den Beichten – mit ihr? Wo blieb sie dabei?
    „Warum – konntest – du – dein – Geheimnis – nicht – für – dich – behalten?“
    Pater Arno würde ab sofort genau das nicht mehr sein können: ihr Lehrer. Kein Unterricht, keine vertrauensvollen Gespräche, keine Nachmittage im Skriptorium mehr. Und wenn jetzt auch noch die Freundschaft mit Katharina vorbei sein sollte ...
    Die Trostlosigkeit ihrer Situation schlug über Mathilda zusammen, sie begann wild zu schluchzen, schlug wieder auf das Kissen ein und schrie ihre Verzweiflung hinaus: „Mein Gott, warum hast du das zugelassen? Warum hast du mich verlassen?“
    Und sie schrie und tobte und weinte und haderte, bis sie genug geschrien und getobt und geweint und gehadert hatte.
    Danach wickelte sie sich in ihre Decken ein, zog die Knie hoch, bis fast ans Kinn, legte ihre Arme um sich und wiegte sich in den Schlaf.
     
    „Du bist es, bist es immer gewesen.“
    Die Sonne in ihrem Gesicht war wunderbar warm. Mathilda hätte nicht sagen können, zum wievielten Male sie dankbar und froh dafür war, dass der Winter, der nicht nur draußen so lange und eisig getobt hatte, sondern auch in ihr, endlich vorüber war.
    „Wo du bist, ist Sommer.“ Es war Sebastian, der vor ihr stand und sie unsicher ansah. „Du bist der Sommer.“
    „Was machst du hier?“, fragte sie verwirrt. „Bist du nicht ins Kloster gegangen?“
    Doch der schnaubte. „Wie kann ich dort leben, wenn ich erkannt habe, dass du es bist, die ich will?“
    Ungläubig starrte sie ihn an. „Das hast du erkannt?“
    „Es war ein harter Kampf“, nickte er mit einem glücklichen Lächeln im Gesicht. „Weißt du, ohne dich wäre dieses Leben ja auch das richtige für mich. Doch es gibt dich. Ich bin inzwischen sicher, Gott wollte, dass ich das erkenne.“
    „Dann meinst du es ernst?“
    „Nichts in meinem Leben habe ich ernster gemeint“, antwortete Sebastian leise, neigte seinen Kopf leicht nach vorn, hob die linke Hand an seine Schläfe und fuhr mit dem Zeigefinger durch sein Haar, um ihn prüfend auf seinen Scheitel zu legen.
    Seltsam , dachte Mathilda und sah fasziniert zu, wie sein Finger zart über die münzgroße

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