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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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dauerte lange, bis sich das unruhige Stimmengewirr aus der Kirche entfernte. Aber es entfernte sich. Die Schritte und die Stimmen. Dann die Tür, die mit lautem Knall ins Schloss fiel. Arno blieb.
    Alles war gut. Mathildas Seele war kein Leid zugefügt worden. Das hatte er feststellen müssen, und zwar ohne einen letzten Zweifel. Es war notwendig gewesen, dass er so direkt vorgegangen war. Die Zeit hatte gedrängt. Er hatte sie schützen müssen. Um jeden Preis. Das war es, was er wollte. Er wollte sie um jeden Preis vor der Todsünde schützen. Er wollte, dass Katharina sie mit ihrer 'Liebe', oder was auch immer es war, in Ruhe ließ. Er wollte, dass es ihr gut ging. Er wollte, dass sie ...
    Er wollte sie.
    Oh Gott!
    Er wollte sie. Er. Arno von Wayden. Der Priester. Der zukünftige Prior, der alles gab, um ein guter, um der beste Priester zu werden. Der Gott über alles liebte. Weil er den Frauen abgeschworen hatte, weil er deren Fehlbarkeit nicht ertrug, weil ihre Fehlbarkeit ihn fehlbar machte. Weil er nie wieder in eine Schuld wie die um Rosa geraten wollte.
    Genau er saß hier und wollte Mathilda so sehr, dass er seine Finger in seine Oberschenkel krallen musste, weil seine Hände derart zitterten. Weil sie mit niemanden im Bett liegen durfte. Weil ... Weil er sie für sich wollte.
    Er sprang auf – und warf sich auf den Boden. Hieß den heißen Schmerz, den der kalte Stein seinen Knien und Handflächen zufügte, willkommen.
    Wie hatte das passieren können?
    Wieder und wieder trieb er seine Fäuste gegen den Stein.
    Er wollte Gott! Sein Leben als Priester. SEIN Leben.
    Er musste beten. Endlich wieder. Mit Gott sprechen. Denken. Zur Besinnung kommen. Seine Kräfte sammeln gegen diese Versuchung, die offenbar neue Formen angenommen hatte.
    Eine Versuchung war es, denn er befand sich auf dem richtigen Weg, auf dem einzigen, der für ihn richtig war.
    Er hörte auf zu schlagen und ließ seinen Körper los. Es fühlte sich an wie Zerfließen. Sein Bauch schien auszubluten in die Kälte unter ihm. Machte ihn starr, hart, selbst zu Stein. Er hatte nichts anderes verdient. Denn er trug seine Schuld. Untrennbar mit dem Mann Arno verbunden. Deshalb musste er den Mann in sich ausmerzen. Nur als Priester war er geläutert, nur als Priester konnte Gott ihn bei sich ertragen, nur als Priester konnte Arno existieren.
    Warum hörte Gott dann nicht auf, ihn zu quälen? Warum erlaubte er ihm nicht mehr, Priester zu sein? Warum hatte Gott ihn verlassen?

Herz und Knie
     
     
    „Kein Unterricht heute. Du bleibst in deiner Zelle.“ Die Stimme der Äbtissin klang reichlich verbissen. Aber auch ein wenig verzweifelt. „Ausschließlich – und alleine.“
    Mathilda nickte. Freilich alleine. Das hätte Mutter Örtlerin nicht extra sagen müssen.
    Sie sah zu, wie diese die Zellentüre mit einem harten Ruck hinter sich schloss, und wandte sich dann dem Fenster zu, das völlig vereist war. Es war so kalt, dass sich sogar auf der Wand eine dünne Eisschicht gebildet hatte. Dieser Kälte den ganzen Tag nicht entkommen zu können, würde wahrscheinlich das Schlimmste heute sein. Mathilda würde gut daran tun, sich sofort wieder ins Bett zu legen und bis zum Hals zuzudecken.
    Aber sie hatte keine Lust dazu. Es war noch früher Morgen und sie hatte nun wirklich etwas anderes zu tun als zu ruhen.
    Sie zog ihren Mantel enger um sich und begann ihre Wanderschaft durch die Zelle. Drei Schritte hin, Kehrtwende vor dem Fenster und drei Schritte zurück, bis zur Türe. Der sie einen Hieb versetzte. Weil es völlig egal war, wer sie hörte. Und weil vielleicht Katharina in der Nebenzelle war. Als Zeichen: Ich bin hier und mir geht es gut, auch wenn ich gerade völlig aufgebracht bin!
    Drei Schritte hin, drei zurück. Schlag.
    Ja, ihr ging es wirklich gut, und ja, sie war aufgebracht! Naja, vielleicht nicht direkt aufgebracht, eher – durcheinander. Und deswegen abermals ja, es war gut, jetzt alleine zu sein, zum Denken zu kommen. Zum Überlegen, was geschehen war.
    Es war nicht die Tatsache, nachts mit Katharina zusammen erwischt worden zu sein. Auch nicht, dass bei der toten Schwester Glaubrechtin nun eine dreitägige Totenwache anstand. Oder dass Pater Arno – und wohl auch Mutter Örtlerin, aber die war hier nun wirklich völlig uninteressant – sichtlich Angst davor hatten, dass Katharina und sie ... etwas anderes füreinander waren als Freundinnen.
    Nein, das alles war es nicht, was sie hier in der Kammer herumrennen ließ wie einen

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