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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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weiter.“
    Wahrscheinlich kamen Bertram und seine Gemeinde in den Genuss ihres unerfüllten Mutterinstinkts.
    „Ich habe noch Met, den ich heiß machen kann“, war ihr augenscheinlich gerade eingefallen. „Oder dürft Ihr nicht?“ Sie war auf dem Weg zu einem Schrank auf der gegenüberliegenden Seite verharrt.
    Met, Bertrams Lieblingsgetränk. Früher, auf ihrer Reise nach Rom, waren das die schönsten Abende gewesen. Wenn Bertram nach ein paar Bechern ins Erzählen gekommen war, das Beichtgeheimnis lockerer gesehen und die ganze Nacht spannende Schicksale aus seiner Seelsorge zum Besten gegeben hatte.
    „Met ist mir nicht untersagt, danke“, erlöste Arno die Frau endlich aus ihrer Starre und fand sich gleich darauf am Tisch vor einem dampfenden Becher wieder. Tief einatmend steckte er seine Nase in den herb-süßen Duft.
    „Der Eintopf ist auch fertig, lasst ihn Euch schmecken, Pater, und sagt mir, ob Ihr den Unterschied schmeckt zu dem Essen, das Eure Klosterbrüder zuwege bringen.“
    „Die Schwestern kochen“, korrigierte er mechanisch – sich im selben Moment auf die Zunge beißend, als er ihre Augen begierig aufleuchten sah.
    „Ach wirklich? Es gibt Dienerinnen in Eurem Kloster?“
    Entnervt beugte er sich, so weit es ging, über den Teller und hoffte, ihre Neugierde würde verfliegen oder Bertram ihn retten. Doch dann blieb ihm nichts, als in den sauren Apfel zu beißen und von Birgitta zu beginnen.
     
    Er musste sogar noch den Heiligen Alto bemühen, um von seinem eigenen Dasein in Altomünster abzulenken, als endlich Gepolter auf der Treppe laut wurde, sich verabschiedendes Gemurmel, die Haustür. Und dann ...
    „Arno?“
    Dies jetzt war eindeutig die Stimme seines Pater Bertram. Und plötzlich war auch die breitere Aussprache wieder zu hören.
    „Arno, mein Junge, du bist es wirklich!“
    Der war aufgestanden und streckte dem mit weit offenen Armen auf ihn zukommenden Bertram seine Hand entgegen.
    „Wie lange ist es her?“ Da hatte Bertram ihn erreicht und nahm ihn heftig in die Arme. „Dass du mich besuchen kommst! Haben deine gestrengen Birgitten dich tatsächlich aus ihrer Klausur gelassen?“
    „Nicht ohne Grund“, pressten Bertrams Arme gleichsam aus Arno heraus.
    Er liebt mich doch auch, dachte er. Ebenso wie ich ihn. Und was soll daran, einen anderen Menschen zu lieben, falsch sein?  
    Bertram beließ eine Hand auf Arnos Schulter, als er sich von ihm löste. „Ich habe dich beim Essen unterbrochen. Setz dich doch wieder!“
    Arno dessen Platz auf der Bank erneut zuweisend, wandte er sich an die Haushälterin, deren Augen sie beide die ganze Zeit begierig gemustert hatten: „Wilma, darf ich vorstellen? – Pater Arno von Wayden, mein“, er machte eine Pause und warf Arno einen verschwörerischen Blick zu, „kann ich noch 'Ziehsohn' sagen? 'Später Ziehsohn'?“
    Gerührt sah Arno über die Schulter zurück. Dass Bertram sich demnach tatsächlich als eine Art Vater betrachtete, war ... schön. Ließ Arno mit einem Mal spüren, wie wackelig seine Beine waren und wie riesig seine Sehnsucht danach, seinen Kopf auf eine väterliche Schulter zu legen und zu weinen wie ein kleines Kind.
    „Ich hole Euch auch einen Becher Met“, ließ sich Wilma schon wieder vernehmen.
    „Danke“, nickte Bertram gönnerhaft und schob sich auf einen Stuhl, über Eck neben Arno.
    „Was hast du zu tun hier in Freising?“, wurde Wilma nicht weiter beachtet – und erstaunlicherweise überließ sie Bertram und ihn daraufhin sich selbst und machte sich an die Küchenarbeit.
    „Du bist meine erste Station.“ Die einzige. Du bist meine einzige Hoffnung.     
    „Dir geht es nicht gut“, erkannte Bertram im selben Moment und legte Arno seine Hand auf den Arm. „Verzeih, du sagtest doch, du habest einen Grund, mich aufzusuchen.“ Er senkte die Stimme. „Was kann ich für dich tun, Arno, möchtest du hinüber in die Kirche, beichten?“  
    Arno zögerte. Rosa bereute er. Sie hatte er nach seiner Zeit mit Bertram nie mehr gebeichtet, in Altomünster ahnte niemand davon. Es war verlockend – und andererseits zu einfach. Er hatte einmal geglaubt, dass er die Verantwortung abgeben könnte an einen Priester, dass dieser ihm die Absolution erteilen könnte für etwas, das er, Arno, getan hatte. Diese Illusion hatte er verloren.
    „Ich hätte gern ein Gespräch unter vier Augen“, sagte er. „Eines wie früher.“
    Früher, auf ihrer gemeinsamen Reise nach Rom, hatten sie alles geteilt, alles

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