Und fuehre uns in die Versuchung
weltlich Mann noch Weib, auch kein Ordensmann oder anderer Priester in die Beschließung des Klosters der Klosterfrauen eingehen. Auch ist ihnen allen mit ihnen Gespräch zu haben verboten, wenn aber doch, dann allein zu ziemlichen Zeiten.'“
Jetzt hielt sie es bald nicht mehr aus. Mathilda rutschte auf ihrem Platz herum. Sie musste mit Katharina reden. Sofort!
Vorsichtig zog sie ihre Hand unter dem Skapulier hervor, legte sie neben sich und stupste schließlich Katharina sacht an.
Mutter Örtlerin verlas weiter: „'Christus bestimmt hie an welchen Tagen und wie die Klosterfrauen mit den Weltlichen an den Gittern mögen reden.'“
Hast du heute Zeit? Ich muss dir etwas Wichtiges erzählen , buchstabierte Mathilda in Katharinas Hand.
Beim Abendessen? Katharina antwortete genauso und sah dann Mathilda mit fragend hochgezogenen Augenbrauen an.
Die nickte zwar, griff aber dennoch wieder nach Katharinas Hand: Kannst du nicht heute Abend zu mir kommen?
Katharina schüttelte sachte den Kopf und sah kurz zu Elisabeth hinüber. Klar, die beiden waren verabredet. Die Glücklichen. Konnten sich treffen, berühren, miteinander sprechen. Mathilda würde Arno, bis hier alles vorbei wäre, mit etwas Glück ab und zu einmal sehen. Und während der Rekreation, wenn ich in der Kirche singe. Aber da würde er sich im Männerchor aufhalten. Viel zu weit weg.
„Achtes Kapitel: Aber zu diesen Zeiten mögen die Klosterfrauen mit den Weltlichen reden. Nämlich von der Non bis zu der Vesper und das allein an den Sonntagen und großen Festen der Heiligen.“
Ein eifersüchtiger Stich durchfuhr Mathilda. Warum hatte sie es auch so schwer? Doch schnell schob sie ihr Selbstmitleid wieder zur Seite. Es war zwar nicht unbedingt notwendig, aber sie wollte Katharina von der frohen Kunde berichten. Davon, dass Arno sich entschieden hatte, zusammen mit ihr das Kloster zu verlassen. Sie wollte sich gemeinsam mit Katharina freuen und in Vorfreude schwelgen, Pläne schmieden für die Zeit 'draußen' ... Aber dazu musste sie mit ihr sprechen können und sich nicht notdürftig per Raunen oder Zeichensprache verständigen müssen. Mathilda seufzte, aber es blieb wohl nichts anderes. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Mutter Örtlerin, die immer noch las:
„Neuntes Kapitel: In dem Advent werden sie alle in fastenlicher Speise fasten, bis zu dem Tag meiner Geburt. Und am Freitag nächst von dem Sonntag an fünfzig Tag werden sie anfangen mit fastenlicher Speis zu fasten bis Ostern. Aber am nächsten Freitag nach meiner Auffahrt bis Pfingsten werden sie fasten mit Fischen und Millichspeis.“
Ob sie wollte oder nicht, selbst wenn es nur ums Fasten ging, wenn vom Essen die Rede war, wurde Mathilda hungrig. Jetzt gleich würde es Abendessen geben. Und sie könnte mit Katharina sprechen. Wenn es nur schon so weit wäre!
Wir werden zusammenbleiben, alle!
Es war mühsam, sich Botschaften in die Hand zu buchstabieren, die man lieber laut hinausgeschrien hätte, aber es war immer noch besser, als darüber schweigen zu müssen. Im Überschwang unterließ es Mathilda selbstredend, ihre vernünftige Stimme zu Wort kommen zu lassen. Nie und nimmer würden sie alle zusammenbleiben können. Aber zumindest in den ersten Tagen würden sie das – und schon alleine deswegen war dieses Abendessen großartig. Selten hatten Mathilda Brot, Käse und Speck so gut gemundet. Und es hatte einen Vorteil, wenn man den Mund zur Verständigung nicht einsetzen musste. Mathilda kam mit dem Essen nicht in Verzug – und sie war sicher, dass sich Katharina und sie in keiner Weise auffällig benahmen.
Die heutige Lesung, wieder irgendetwas Unappetitliches aus dem Alten Testament, perlte völlig an ihr ab. All ihre Konzentration lag bei dem Fingergespräch mit Katharina - und bei Arno.
Auch er würde gerade beim Essen sitzen. So schlimm es war, dass er ihr so fern bleiben musste, zu fast jeder Zeit des Tages genau zu wissen, wo er gerade war und was er tat, hatte etwas ungemein Beruhigendes. Nachher, wenn es läutete, würde auch er zu Complet in die Kirche einziehen. Aber noch war es nicht soweit. Mathilda fühlte Bewegungen an ihrer Hand und buchstabierte sofort mit:
Auf der Ebernburg können wir bleiben, bis ... Katharina brach ab. Dies war der Punkt, den sie nicht berühren wollte.
Mathilda dachte ihn dennoch: bis Elisabeth und Katharina einen Mann gefunden hatten. Die mit viel Glück miteinander verwandt oder zumindest befreundet waren – und die
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