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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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Treppe nach oben wieder entfernen.
    Unendlich lange hatte es dann gedauert, bis er endlich, endlich durch die Türe kam, diese behutsam hinter sich schloss und sie ansah.
    Einen Moment lang strahlte sie ihn an. Mit sicherlich verquollenen und geröteten Augen, aber das war jetzt nicht wichtig. Er war zurückgekommen, zu ihr, weil er sie wollte. Nichts anderes zählte. Und jetzt musste sie sich vergewissern, dass er immer noch meinte, was er im Finsteren Gang nicht nur gesagt hatte. Mit drei Schritten war sie bei ihm, wollte sich wieder in seine Arme stürzen.
    Mit einer brüsken Bewegung schob er sie jedoch von sich, wandte sich ab.
    Schuldbewusst zuckte sie vor sich selbst zurück. Sie hatte ihm versprochen, ihn nur anzusehen. Und dennoch – hier waren nur sie beide! Es gab keinen Grund ... keinen äußeren zumindest.
    „Was hast du?“ Bange sah sie ihn an.
    Er schüttelte den Kopf. „Nicht hier, es könnte jemand kommen.“
    „Niemand kommt hierher“, stammelte sie.
    „Das kannst du nicht wissen“, antwortete er und trat einen Schritt zur Seite. „Wir müssen vorsichtig sein. Was wir hier tun – ist sehr streng verboten.“
    „Aber wir würden es hören, wenn jemand kommt“, flehte Mathilda. Wollte er die wenigen Minuten, die sie hier miteinander hatten, wirklich mit Erklärungen und Diskussionen verbringen? Sollte sie die Zeit damit vergeuden und ihm erzählen, dass in all den Tagen, die sie alleine hier gesessen war, niemand je vom Skriptorium heruntergekommen war? Erneut streckte sie zaghaft die Arme nach ihm aus, doch er schüttelte heftig den Kopf.
    Angstvoll starrte Mathilda ihn an. Floh er schon wieder vor ihr?
    „Wir müssen überlegen, was zu tun ist“, sagte er und wies mit der Hand auf einen der Tische. „Schließlich ist eine Menge geschehen. Aber zunächst einmal muss ich dringend zu Heussgen.“
    Mathilda nickte. Das hatte sie völlig vergessen. Wie alles andere auch. Hatte mal wieder nur an sich gedacht und daran, wie glücklich sie sein könnte, wäre sie jetzt dort, bei ihm. Wie ein kleines Kind , dachte sie und biss sich auf die Lippen. Sie musste einfach nur vernünftig sein. Und darauf vertrauen, dass Arno auch jetzt der war, der sie eben noch in den Armen gehalten hatte.
    „Heussgen wird am Montag gehen“, sagte Arno da auch schon. „Und du ...“
    „Wieso ich?“, fragte sie und blinzelte panisch. „Ich meine, wieso nur ich?“
    „Wir“, verbesserte sich Arno hastig, räusperte sich dann sofort, als wäre sein Hals zu eng. „Wir müssen uns verabreden, brauchen ein Zeichen, eine Möglichkeit, uns zu verständigen.“
    Er hatte einen Stuhl herangezogen und wies darauf. Mathilda setzte sich erleichtert.
    „Genaues steht noch nicht fest“, fuhr er fort. „Sobald ich weiß, wann und wie es ablaufen wird, werde ich dich informieren.“
    „Sehen wir uns nicht weiter im Unterricht?“, fragte Mathilda besorgt. „Du wirst doch unterrichten, bis wir weggehen, oder?“
    Auf einmal war es das für sie unvorstellbar: Arno – nicht hier, im Unterrichtsraum oder im Beichtstuhl. Arno in der echten Welt.
    „Wenn die Zeit dazu noch reicht, ja“, antwortete er glücklicherweise. „Aber wenn nicht ... Kannst du weiter singen kommen? Ich meine, auf dem Balkon, wie heute. Du wirst mich von dort im Männerchor sehen und wir könnten uns mit Zeichen verständigen.“
    Ja, oh ja, das konnte sie. „Ich kann jederzeit dorthin kommen“, beteuerte sie und nickte eifrig.
    Auf einmal war es ein großer Vorteil, wenn nicht sogar eine wunderbare Fügung, dass die Äbtissin so erpicht auf ihre Visionen war. „Wenn Mutter Örtlerin auftaucht, werd ich ihr einfach etwas vorlügen.“
    Arno sah sie an. War da eine Spur Missbilligung in seinem Blick?
    „Ich kann das dann ja bei dir beichten.“ Sie lächelte ein wenig unsicher.
    Doch er lächelte zurück und nahm sich endlich ebenfalls einen Stuhl, rückte ihn nahe neben den ihren und setzte sich. Könnte er nicht wenigstens ihre Hand nehmen? Sie legte ihre auffordernd auf ihr eigenes Knie – doch er blickte nur angestrengt vor sich hin.
    „Es wird nicht einfach werden“, sagte er. „In der ersten Zeit werden wir bei Heussgen bleiben müssen, bis ich weiß, wohin wir gehen können.“
    Mathilda nickte. „Hast du noch Familie?“ Ihre fiel als Anlaufstation ja vollständig aus.
    „Reichlich“, nickte Arno. „Aber die Zeit, sie zu verständigen, wird nicht mehr ausreichen. Das heißt, wir sind ganz auf Heussgen angewiesen.“
    „Wohin

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