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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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glatte Kopfhaut gewesen war, hatte er noch beten, seine Sorge und seine Unruhe an die göttliche Macht abgeben können. Und darauf hoffen, dass diese seiner Bitte nachkäme. Oder ihm wenigstens Stärke gäbe. Jetzt war sein Weg zu Gott abgeschnitten. Und, davon abgesehen, wäre die Frage angebracht: War Gott den Lutheranern, von der Kirche als Ketzer verschrien, ebenso zugewandt wie den Getreuen? Ach was! Ungeduldig wischte er mit der Hand durch die Luft. Schon allein die Frage war vollkommener Unsinn.
    Unruhig sprang er wieder auf. Warum hörte man noch immer nichts? War es Heussgen und seinen Begleitern nicht gelungen rechtzeitig zu fliehen, und befanden sie sich bereits auf dem Weg in Ludwigs Kerker?
    Arno begann wieder einmal, an seinem Bett auf und ab zu laufen.
    WO BLIEBEN DIE NUR?
    Da! Oh, Gott sei Dank, steh uns bei! Zugleich erlöst und angstvoll hörte er entferntes Fußgetrappel, ehe im nächsten Moment die Zwischentür mit einem lauten Poltern aufgestoßen wurde.  
    „Prior Palgmacher, die Reiter des Herzogs stehen am Tor und verlangen Einlass! Soll ich öffnen?“
    Es ging los. Arno zwang sich auszuharren, als müsste er erst aus dem Bett und sich anziehen. Dann griff er nach seiner Lampe, riss die Tür auf und stürzte auf den Gang hinaus. Palgmacher stand in seinem Türrahmen, davor Georg und Alto Sieber, beide in Kutte und Pantoffeln. Im Schein der vom Lauf der beiden noch immer pendelnden Lampe flackerte Palgmachers bodenlanges Nachthemd rosarot. Der Blick, den er Arno über Georgs Schulter zuwarf, sehr wenig rosenhaft. Offene Feindseligkeit in seiner Stimme.
    „Ihr wollt doch nicht etwa zusehen, wie sie Euren Busenfreund von hier wegzerren, Wayden? Geht lieber wieder in Eure Zelle, beten!“
    Arno sandte ihm ein verächtliches Schnauben, während er bereits an den beiden jungen Mönchen vorbei in Richtung Tor stürmte.
    „Er will den Ritter spielen“, hörte Arno Palgmachers abfällige Stimme ihm noch folgen. „Lauft und lasst Ludwigs Leute herein, es ist unsere Pflicht, Ökolampad für seine ketzerischen Verirrungen bestrafen zu lassen. Beeilt Euch!“
    Dann war Arno schon um die Ecke und warf sich gegen die Tür in den nächsten Gang. Er musste jetzt natürlich zuerst in Heussgens Kammer, so tun, als ob er ihn warnen wollte.
    Schon bald schollen ihm das Poltern und die Rufe der Männer vor dem noch verschlossenen Tor entgegen. Gelinde ungeduldig, doch nicht so aggressiv, als ob sie es in den nächsten Momenten aufbrechen würden. In der Halle kamen ihm mehrere verschlafene und besorgte Brüder entgegen. „Wer sind die? Was ist passiert? Die wollen Pater Heussgen, nicht wahr?“
    Arno kümmerte sich nicht um sie, stürzte die Treppe zum Besuchertrakt hinauf und erreichte, ganz außer Atem, Heussgens Tür. Mit irrational klopfendem Herzen schob er sie vorsichtig auf und schlüpfte in die verwaiste Kammer.
    Es zog kalt vom Fenster her, und die Stimmen von draußen waren auffällig laut – ja, da war eine Scheibe zerbrochen. Natürlich, irgendwie musste dieser Konstantin Heussgen ja ereicht haben. Arno stellte seine Lampe lieber außerhalb der Kammer ab, um die Aufmerksamkeit der Männer da unten nicht auf diesen Ort zu lenken. Die sollten zuerst suchen – und außerdem möglichst lange davon ausgehen, dass Heussgen nicht rechtzeitig gewarnt worden war und sich irgendwo im Gebäude versteckte.
    Im spärlichen Licht suchte Arno den Boden ab. Dort lag etwas, zwischen den Glasscherben. Ein Stein. Er gab ihm einen kleinen Tritt, sodass er in die Ecke zwischen Bett und Fenster kullerte, und schob die Scherben hinterher. Vorsichtig nach den Männern vor dem Kloster schielend, öffnete er ganz langsam das Fenster. Wenn er Glück hatte, würde ihnen so entgehen, dass es kaputt war.
    Gerade jetzt jedoch wurde unten das Tor geöffnet. „Wir kommen von Herzog Ludwig, mit dem Befehl, ihm Johannes Oekolampadius zu bringen“, scholl es deutlich herauf. „Ihr seid verpflichtet, uns ins Kloster zu lassen, da kann Euer Torhüter sagen, was er will. Unsere Geduld ist zu Ende!“
    „Es ist uns eine Ehre, den verehrten Herzog in seinen Bemühungen gegen Luther, den Ketzer, zu unterstützen!“ Palgmacher persönlich. Unterwürfig. Widerlich.
    Und als ob niemand hier wüsste, wie spät der liebe Ludwig damit angefangen hatte, 'sich gegen Luther, den Ketzer, zu bemühen'. Arno schnaubte. Wandte sich um und blieb, augenscheinlich lässig gegen das Fensterbrett gelehnt, mit dem Gesicht zur Tür stehen. Seine

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