Und fuehre uns in die Versuchung
das Bindeglied. Ich bin das Leben draußen, immer gewesen. Für dich – und für alle hier.“ Sie wurde langsam sicherer. „Deswegen habe ich solche Probleme mit den Regeln. Aber genau deswegen willst du mich. Ich bin für dich die Weltlichkeit, das Leben außerhalb des Klosters. Du willst mich, weil du genau dieses Leben willst, das ich nun einmal darstelle.“
Sie nickte. Das war es! Lachte voller Erleichterung.
„Du bist zurückgekommen, um für mich Sorge zu tragen. Und das tust du, indem du mit mir zusammenbleibst. Aber das ist nur die eine Seite. Die andere ist: Ich werde auch für dich Sorge tragen. Ich für dich, du für mich. Gegenseitig, verstehst du?“
Atemlos starrte sie ihn an. Verstand er sie? War er in der Lage, ihre Übersetzung zu verstehen? Doch er stand noch immer völlig bewegungslos. Und wieder blitzte ein Gedanke in ihr auf.
„Seit wann? Ich meine, wann hat es bei dir angefangen – mit mir? Seit wann sorgst du für mich?“ Ganz leer auf einmal, ließ sie in plötzlicher Verlegenheit die erhobenen Hände sinken. Alles, alles hatte sie gesagt, was sie zu sagen hatte. Jetzt war er dran.
Sie wandte sich ab, blickte aus dem Fenster, ohne etwas zu sehen.
„Mathilda, ich ...“ Mehr kam nicht. Er blieb still. So lange, bis sie schon die Hoffnung aufgegeben hatte und mit den Tränen kämpfte. Sie musste der Wahrheit ins Gesicht sehen, er hatte ihre Sprache nicht verstanden.
„Von Anfang an“, erreichten sie da gepresste Worte von hinten.
Sie wandte sich nicht um, blieb mit dem Gesicht zum Fenster einfach stehen und lauschte der Stille, die jetzt schon wieder hinter ihr war.
„Ich habe es nur lange nicht wahrhaben wollen“, drang sein nächster Satz schließlich an ihr Ohr. „Ich fühlte die ungeheure Weltlichkeit, die du ausstrahlst, deine Weiblichkeit – und wich meinen Gefühlen für dich aus, indem ich ein Projekt startete: Wie lange dauert es, bis sie ihre wahre Berufung erkennt, wenn ich sie mit jungen Männern zusammenbringe.“
Sie nickte. Georg, Hartwig.
„Es hat nur nicht geklappt, weil ich alles verhindert habe, was sich auch nur im Mindesten abgezeichnet hat.“
„Bis zu meiner Beichte bei Palgmacher“, ergänzte sie seinen Satz intuitiv und drehte sich nun zu ihm um. Sah ihn nicken.
„Da konnte ich endlich meine Gefühle für dich entdecken“, sagte sie. „Es war also bei uns beiden gleichzeitig.“
„Aber versteh“, unterbrach er sie. „Ich sagte doch: von Anfang an. Ich wollte es nur nicht bemerken.“
„Genau wie bei mir.“ Mathilda musste einfach lächeln, das war zu schön. „Du glaubst nicht, wie sehr ich mich von allem Anfang zu dir hingezogen gefühlt habe. Aber da war so viel anderes, da waren Georg, die Äpfel, Hartwig, das Klosterleben. Ich war so abgelenkt. Ich brauchte deine Hilfe. Und die hast du mir gegeben, als du meine Beichte bei Palgmacher belauscht hast.“
Sie eilte zu ihm und schloss ihre Arme um ihn, jetzt ganz sicher, die gleiche Sprache zu sprechen. „Es war gleichzeitig. Von Anfang an – unbemerkt. Und dann diese wunderbare Beichte. Es war Bestimmung. Unsere Bestimmung.“
Da antwortete er endlich. Mit seinen Lippen. Aber nicht mit Worten.
Arno war ganz still. Saß auf der Bank und sog jeden Sinneseindruck ein, dessen er habhaft werden konnte. Das Gewicht von Mathildas Kopf an seiner Brust. Ihren ruhigen Herzschlag, der sich auf seinen sie umfassenden Arm übertrug. Ihr Geruch – viel zu indirekt, eigentlich hätte er die ganze Zeit sein Gesicht auf ihre Haut pressen müssen, wenigstens die spärlichen Stellen küssen, an denen er den sie umgebenden Stoff aus dem Weg hätte zerren können, und sie dann ...
Er seufzte tief und neigte seinen Kopf noch weiter zur Seite, um ersatzweise seine Wange zärtlich an ihren Haaren zu reiben.
Selbstverständlich hatte er sich bezähmt. Er wollte sie nicht erschrecken – er selbst war überrumpelt worden von der Heftigkeit seines körperlichen Verlangens nach ihr. Es war nicht möglich hier, viel zu kalt, viel zu gefährlich. Und überhaupt – er würde warten, bis sie verheiratet waren.
Seltsam, wie sicher er sich jetzt fühlte. Seit sie vorhin ... dafür gesorgt hatte, dass er ihr vertraute. Er drehte den Kopf, um seinen Mund in ihr Haar zu drücken.
Ja, er vertraute ihr. Sie war so klug, so stark, so sicher. Wusste genau, was sie wollte – ihn, wirklich ihn. Und zwar selbst dann, wenn er unsicher und schwach war. Sie war bereit, ihm eine Gelegenheit zu geben –
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