Und fuehre uns in die Versuchung
unbefangen ausleben konnte.
Was ein junges Ding wie Mathilda betraf, die obendrein noch so im irdisch Konkreten verhaftet war, ging Arno stark davon aus, dass sie zu dem mit seinen abgehobenen Inhalten beschäftigen Hartwig keinen rechten Zugang bekommen – und ihre Wahl somit auf Georg fallen würde. Allerdings wusste er auch von der zuweilen immensen Anziehung, die Gegensätzlichkeit auf Menschen – besonders auf Mann und Weib – ausüben konnte. Sodass er nicht wirklich sicher sein konnte, ob er richtig lag. Wobei er, was das anging, nicht lange würde warten müssen. Mit einiger Wahrscheinlichkeit entschied sich diese Frage innerhalb der ersten Wochen. Zumal die Intuition des Körperlichen darin ein Wörtchen würde mitzureden haben. Womöglich hatte die sogar das letzte Wort – was wiederum zeigen würde, wie primitiv das menschliche Wesen konzipiert wäre. Jeder Mann war auf Adam reduzierbar – sofern man nicht mit Vernunft und Selbstdisziplin gegensteuerte. Auch was das anging, hatte Hartwig die besseren Karten, aus dieser Geschichte als Mönch hervorzugehen. Denn dessen Verstand hatte von vornherein mehr Macht über die Bedürfnisse seines Körpers als der des sonnigen Georg.
Welcher der jungen Frau am Nebentisch nun auch einen nachdenklichen Seitenblick zuwarf und fast unhörbar vor sich hin murmelte. „Es ist ... seltsam, dass eine Frau ... hier ...“
Arno musste sich ein Grinsen verbeißen. „Keine Frau, sondern eine Nonne“, verbesserte er leichthin und achtete darauf, dass sie seine Worte verstehen konnte, sofern sie die Ohren spitzte. „Und ja, es ist ungewöhnlich – aber nicht unmöglich, wie ich hoffe.“
„Nein, äh, natürlich nicht.“ Errötend beugte Georg sich über seine Unterlagen.
Hartwig dagegen hatte sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Scheinbar gleichgültig hatte er seinen Text aufgeschlagen und machte sich in gewohnter Konzentration an die Übersetzung.
Lag es daran, dass er als regelmäßiger Nutzer des Skriptoriums die Gegenwart von Nonnen eher gewöhnt war?
Die heilige Birgitta war von der Idee erfüllt gewesen, das Männliche und das Weibliche als das Gesamtmenschliche in der Verehrung des Göttlichen nicht voneinander zu separieren. Im Klosteralltag jedoch waren die Mitglieder des Männer- und Frauenkonventes strikt voneinander getrennt. Einziger von beiden Geschlechtern genutzter Ort war die Kirche – doch sowohl deren räumliche Aufteilung mit dem Männerchor in der ersten, dem Frauenchor in der zweiten Etage als auch die Liturgie waren so konzipiert, dass beide Gruppen keinen direkten Umgang miteinander hatten. In gewissen Phasen des Gottesdienstes wechselten oder vermischten sich ihre Gesänge – und in den sonntäglichen Prozessionen war der einen Gruppe möglich, die jeweils andere schattenhaft ihren jeweiligen Wandelgang entlang schreiten zu sehen.
Sowohl Mönche als auch Nonnen sahen und hörten natürlich den Priester, welcher den Gottesdienst leitete, bekamen die Kommunion allerdings getrennt in ihren jeweiligen Chören.
Ferner beichteten alle Klosterinsassen dem Generalbeichtvater und Prior des Klosters, seit zwei Jahren Palgmacher. Theoretisch, wenn nicht Arno ihn aufgrund seiner speziellen Vorlieben in Arbeit und Freizeit vertreten musste.
In einem freien, wenn selbstverständlich auch themengeleiteten Gespräch zusammenzutreffen, war nur der jeweiligen Äbtissin und dem Prior möglich – und somit wiederum Arno als inoffiziellem Subprior. Diese Unterredungen fanden im Redhaus hinter der Kirche statt, dem einzigen Gebäude, welches sowohl vom Frauen- als auch vom Männerkonvent aus zugänglich war.
Alleinige Ausnahme: Bibliothek und Skriptorium, die jeweils natürlich von beiden Konventen benutzt wurden.
Direkter – also auf stofflicher Koexistenz beruhender – Kontakt zwischen Männern und Frauen war ausschließlich in der Bibliothek möglich. Spezifische Öffnungszeiten für Nonnen, womit man es früher versucht hatte, waren auf die Dauer nicht praktikabel gewesen. Da es sich ja aber nur um Recherche, Heraussuchen und Entleihen handelte, was alles still und einsam vonstattenging, hatten sich hier nie weitergehende Probleme ergeben.
Im Skriptorium, über der Bibliothek im Dachgeschoss gelegen, welches der besten Lichtverhältnisse und der großzügigen Schreibtische wegen eifrig und längerfristig von allen lesenden und schreibenden Geistlichen genutzt wurde, hatte man extra ein Trennungsgitter eingebaut, damit die
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