Und fuehre uns in die Versuchung
Doch die sprang schon auf. „Und Ihr wisst das, Mutter Örtlerin. Wenn Ihr also wollt, dass Elisabeth den Eid schwört, müsst Ihr zulassen ...“
Weiter kam sie nicht.
„Katharina Greulich, Ihr werdet jetzt sofort Euren Mund halten und Euch nicht einmischen!“
Im gleichen Moment war Mathilda schon aufgesprungen, hatte sich auf Katharina gestürzt und hielt ihr die Hand vor den Mund: „Sei still, sei um Himmels willen still!“
Hektisch wandte sie sich an Mutter Örtlerin: „Sie wird nichts mehr sagen. Bitte ...“ Schnell zog sie Katharina auf ihren Platz zurück.
Die Äbtissin schnaufte erst einmal tief durch und ließ ihren Blick zwischen der vor dem Altar knienden Elisabeth und der böse dreinschauenden, nur mühsam von Mathilda gebändigten Katharina hin- und herschwenken.
„Nun gut“, lenkte sie schließlich ein. „Dann mache ich für Euch, Elisabeth Jordanin, eine Ausnahme und entbinde Euch von dem geforderten Eid, bis Ihr Gelegenheit hattet zu beichten und rein genug dafür seid.“
Mathilda ließ Katharina los und atmete gleichzeitig mit ihr auf. Das schien ja gerade nochmal gutgegangen zu sein! Und selbst Elisabeth schien erlöst. Sie rappelte sich auf und ging zu ihrem Platz zurück.
„Halt, noch eines, Jordanin“, wurde sie da von der Äbtissin ausgebremst. „Eine einfache Frage, die Ihr hier und jetzt leicht beantworten könnt: Habt Ihr in den letzten Tagen mit dem Gedanken gespielt, das Kloster zu verlassen?“
Katharina schrie auf. Mathilda schnappte nach Luft. Nein!
Die ganze Zeit über hatten die Nonnen im Saal den Vorfall mit sichtlicher Neugierde beobachtet. Kaum, dass einmal ein Raunen zu hören gewesen war. Doch jetzt hielten alle die Luft an. Eine fallende Nadel hätte Krach gemacht. Mathilda war sicher, dass ihr rasendes Herz überdeutlich zu hören war.
Elisabeth war ebenfalls mitten in der Bewegung erstarrt. Nur ganz langsam hob sie die Hände, legte sie vor die Augen und öffnete den Mund zu einer Antwort.
Doch Katharina war schneller: „Ich habe sie gefragt, ob sie zusammen mit mir von hier weggeht, den Lutheranern anschließen!“
„Häretikerin!“ Schwester Steudlin war schon aufgesprungen und starrte Katharina mit blitzenden Augen an. „Das hab ich mir doch schon lange gedacht!“
Mathilda ignorierte sie, fuhr hoch, zu Katharina: „Was sagst du da?“
Katharina musterte sie einen Moment lang, dann erwiderte sie mit kalter Stimme: „Tut mir leid, aber dich wollte ich nicht mit dabei haben.“ Und damit stieß sie Mathilda fest von sich.
„Warum behauptest du das“ rief da Elisabeth. „Du musst doch gehen. Du gehörst nicht hierher!“
„Das ist richtig“, bestätigte Katharina, schüttelte dann aber den Kopf. „Ich mag nicht hierher gehören, aber ich gehöre zu dir!“ Dann wandte sie sich an die Äbtissin und die anderen Nonnen, holte tief Luft und schrie: „Pater Heussgen hat recht, Martin Luther hat recht. Man kann Gott lieben – und einen Menschen. Das ist kein Widerspruch. Und schon gar keine Sünde. Nur hier im Kloster wird das dazu gemacht. Ihr alle solltet hinausgehen und Menschen lieben. Oder liebt wenigstens euch gegenseitig, ihr verbohrten, vertrockneten Weiber!“
„KATHARINA!“
Mutter Örtlerins Entsetzensschrei ging im Tumult der empörten Nonnen fast unter.
„Sie wagt es, uns vertrocknet zu schimpfen?“ – „Verbietet ihr den Mund!“ - „Schlagt diesse miesse Ketzerin!“
Doch Katharina schenkte ihnen keine Beachtung, sondern richtete ihre Augen wieder auf Elisabeth: „Ich gehe nur, wenn auch du ...“
„Niemand wird hier gehen!“
Die Äbtissin hatte gar nicht mal laut gerufen. Dennoch – ihr Tonfall hatte einen Teil der Nonnen zum Verstummen gebracht. Doch lange nicht alle.
„Ssie hat für ihn gekocht“, hetzte die Schönin weiter. „Vielleicht war ssie ssein Liebchen.“
Doch da sah auch sie, wohin sich die Äbtissin gewandt hatte und ihre Stimme klang mit einem Male beglückt: „Schlagt ssie, ja, schlagt ihr den Teufel auss dem Leib!“
Mit Grauen sah Mathilda, dass die Äbtissin an den Schrank gegangen war und die Türe aufschloss, hinter der die Geißeln aufbewahrt wurden. Wollte sie Katharina wirklich schlagen?
Alle Frauen im Saal waren inzwischen wieder still geworden und beobachteten, was die Äbtissin tat. Manche, wie Mathilda schrecklich auffiel, durchaus mit begieriger Miene. Sie wollten also, dass Katharina gezüchtigt würde!
Auf den Gesichtern von Edeltraud, Schwester Gensstallerin und
Weitere Kostenlose Bücher